Jürgen Raap – Kunst und Komik

Kunstforum International, Band 120, Kunst und Humor I, 1992

»Die Macht ist stark stärker das Gelächter«
Heinrich Lützeler

»Ist die Welt selbst nicht sonderbar, daß sie uns Erscheinungen darbietet, die uns bei den ernstesten Dingen humoristisch und bei den lächerlichsten nachdenklich und feierlich stimmen?«
Karl Julius Weber

Manfred Wörner, im Jahre 1984 Bundesverteidigungsminister, dürfte gestaunt haben, als ihn der Brief des Künstlers Norman Junge erreichte, in welchem beklagt wurde, die Tradition der Schlachtenmalerei werde „heute kaum noch gepflegt“. Diese „aus dem Miterleben empfundene Darstellung“ sei von der „bloßen Fotografie verdrängt worden“. Junge wünschte, zwecks Wiederbelebung dieses Metiers „in den unmittelbaren Kontakt zur Truppe zu treten, um Handwerk und Alltag, Leistungen und Taten“ der Soldaten „künstlerisch festzuhalten“.

Wörners Referent stimmte zu: „Gemalte Darstellungen militärischen Lebens Tagesbetrieb oder Manöver etc. haben immer Interesse gefunden und dankbare Zuschauer angelockt.“ Gleichzeitig gab er aber zu bedenken, ob derlei Werke noch in die heutige Zeit paßten oder bei der Truppe selbst positiven Widerhall fänden. Daß just in jener Zeit, als die Friedensbewegung für ihre Demonstrationen Hunderttausende an Teilnehmern zu mobilisieren vermochte, ein Künstler bekannte, er ringe „um eine Darstellungsform, welche der modernen Kriegsführung angemessen ist“, mußte entweder einen zutiefst zynischen oder einen höchst kuriosen Eindruck hinterlassen. Die Militäroberen waren denn auch zunächst verunsichert; erst im Herbst 1986, nach gut achtzehnmonatiger Korrespondenz, ließen sie Norman Junge mit Zeichenblock und Stiften an der Heeresübung „Fränkischer Schild“ teilnehmen. „Genauso deplaziert wie die vorbeidümpelnde Gänseschar“ empfand der anwesende Reporter der „Hessisch | Niedersächsischen Allgemeinen“ den „einzigen Schlachtenmaler Deutschlands“ im Manövergetümmel.

Zweck der Aktion war indes nicht etwa eine Veralberung, wie sie mancherlei Witzbolde bei ihren Behördenkontakten pflegen, sondern ein Aufzeigen von Anachronismen; insofern hatte der eben erwähnte Korrespondent das richtige Gespür. Anachronistisch per se sind die simulierten Kriege in Manöverübungen, ebenso wie der Einsatz eines hochoffiziellen Schlachtenmalers im Falkland Krieg, der dem Britischen Museum auch naturalistische Darstellungen von Pinguinen bescherte, wie man sie aus zoologischen Lehrbüchern kennt. Solch einen Schlachtenmaler ließen die Briten auch im Golf Krieg anrücken, doch angesichts der Ängste und des Schreckens, die gerade dieser Krieg ausgelöst hat, gewinnt das Spiel mit der belächelnswerten Abseitigkeit schnell die Dimension des Ungeheuerlichen.

Mit Schrecken Scherz treiben nach Shakespearescher Formel? Keineswegs, denn gerade an der „Reibungsstelle zwischen dem namenlosen Volk und der herrschenden Klasse entsteht der geschichtsbezogene Witz“. In ihm „wehrt sich das Volk gegen eine Ideologie, die kritiklos alle verpflichten will, meinte der Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler. (1)

Der humoristischen Komponente in Junges Aktion fehlte allerdings jene Boshaftigkeit, die wir bei Wilhelm Busch oder dem Wiener Cartoonisten Manfred Deix erkennen können. Wo in künstlerischen Medien Humor spürbar ist, erweist sich dieser als Haltung und Mittel zugleich. Als Attacke auf herrschende Moral oder Ideologie bedeutet das Herausstellen von Lächerlichkeit eine Tabuverletzung.

Löst diese jedoch nicht befreiendes oder zumindest schadenfrohes Lachen aus, sondern nur Empörung, wird die aufklärerische Funktion eines Witzes wohl nicht (mehr) wahrgenommen. Doch achtet generell der Witz „nicht solche Tabus, er durchbricht sie, schlägt die Konventionen entzwei, spricht aus, was nicht ausgesprochen werden soll“, so Heinrich Lützeler. (2)

Die Frauenbewegung hat uns gelehrt, daß „Schwiegermutter Witze“ diskriminierend sind. Allerdings ist es eine Binsenweisheit, daß wir nur durch Erziehung, Erfahrung und Einstellung zum Lachen über ganz bestimmte Dinge prädestiniert sind; wir verstehen die Pointe eines (Bild)Witzes nur dann, wenn das Dargebotene Teil unseres Weltbildes bzw. Bewußtseins ist. Der Maler Heinz Zolper wunderte sich, daß die fröhliche Buntheit seiner Bilder beim Publikum paradoxerweise auch Angst auslöste, was wohl daran gelegen haben mochte, daß seine multikulturell aufgefächerte Ikonologie mit Madonnen und Möpsen, asiatischen Motiven und Kitschfiguren höchst befremdlich wirkte.Der lächelnde Buddha zeigt u.a., daß Lachen die höchste Form der Erkenntnis darstellt. Bei Christusdarstellungen übersieht man aber das verzeihende Lächeln neben dem Ausdruck des Leidens“, hat Zolper beobachtet. Denn die asiatische Haltung, die sehr differenziert zwischen „anlachen“ und „auslachen“ unterscheidet, ist uns in Europa und Nordamerika weniger geläufig, zumindest das Vulgärkomödiantentum in manchen TV Programmen zielt nicht auf homerisches Gelächter in distanzierender Weisheit, sondern nur auf hämisches. Die dramaturgischen Höhepunkte der Slapstick Filme in der Stummfilmära lagen immer in jenen Momenten, als jemand von der Leiter fiel oder eine Sahnetorte ins Gesicht geworfen bekam. Das Lachen über solche Mißlichkeiten hat jedoch bekanntlich eine wichtige sozialpsychologische Ventilfunktion.

Diese aber ist letztlich ebenso gesellschaftsstabilisierend wie das Narrentum im Feudalzeitalter, weil die satirische Umkehrung der herrschenden Ordnung sozial kulturell in genau definierten Rollenschemata und Anlässen relativ eng begrenzt war. Die Kritik an realen Zuständen ist in der traditionellen Literatursatire und ihrem Pendant in der bildenden Kunst immer mit utopischen Gegenentwürfen verbunden gewesen, insofern war sie niemals destruktiv, mußte sich gleichwohl indirekter Mittel der Anspielung, der Ironie und der Allegorie bedienen: Beliebtes Transportmittel waren in Literatur und Grafik bis weit ins 19. Jahrhundert u.a. Tierfabeln. Einer der Ursprünge der politischen Karikatur in den finsteren Zeiten rigider obrigkeitlicher Zensur liegt in der Darstellung von Tieren mit menschlichen Charakterzügen, die der zeitgenössische Betrachter leicht entschlüsseln und umdeuten konnte (Karikaturen, Bilderwitze, Cartoons und Comic strips sind im folgenden ausgeklammert, hierzu gibt es schon längst eine Fülle von Abhandlungen, während mit Untersuchungen zum Humor in den klassischen Kunstdisziplinen noch weitgehend Neuland betreten wird).

Somit lebt der klassische Wort wie Bildwitz von der Andeutung. Im katholisch geprägten Milieu des rheinischen Karnevals sind offene Obszönitäten heute noch verpönt („Von Zoten frei die Narretei“). Der Literat einer Kölner Karnevalsgesellschaft: „Ich lege den Büttenrednern immer Witze nahe, die die Leute zu Ende denken können.“

Der heutige Künstler sieht sich freilich ungerne in die Narrenrolle mit ihren harmlosen Freiheiten gedrängt, aber auch in der modernen Demokratie ist die Kunst trotz verfassungsmäßiger Verankerung nicht generell vor der Humorlosigkeit der Betroffenen geschützt, zumindest dann nicht, wenn Verletzungen von Urheber- oder Musterschutzrechten gewittert werden. Das Multiple der Basler Künstlerin Annemarie Burckhardt, ein „documenta Katalog“ in Form eines Autokissens als ironische Reflexion auf die Bücherflut im Kunstbetrieb, mochten die Macher des Kasseler Spektakels erst nach wochenlangem Hickhack tolerieren. (3) Wenig Begeisterung löste auch Norbert Kasprzyk bei einem bekannten Sportartikelhersteller aus, als er dessen Firmenlogo mit der Kondomkampagne gegen AIDS kombinierte und seine Parodie mit dem Bekenntnis versah: „Ich mach’s nur noch mit fair bleiben beim Sport treiben.“ Die Turnschuhfabrikanten verbaten sich jegliche weitere Verwendung ihres Raubtiersymbols in Kasprzyks Collagen und Objekten (wobei in letzteren der Übergang zum Scherzartikel oft fließend ist).

Komisch sind vielfach zunächst nicht die Kunstwerke selbst, sondern eher gewisse Begleiterscheinungen und die Folgen, die sie auslösen. In Norman Junges Briefwechsel mit dem Ministerium und den Truppenkommandanten entblößten die Korrespondenzpartner des Malers unfreiwillig Denkstrukturen, die Anlaß zur Heiterkeit bieten. Dokumentiert wurde dieser Schriftwechsel unter dem sinnigen Titel „Geheimauftrag Zeichenblock“ in der von K.G. Gaida herausgegebenen Zeitschrift „Hans Kultur“ („Mitteilungen aus der Zivilisation“), deren Umschlag wie ein Groschenroman aufgemacht war, während im Innern Layout, Rubrikeneinteilung und Bildunterschriften eine offenkundige Parodie des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ darstellten. (4)

Diese Zeitschriftenreihe enthielt nicht nur poetische, grafische und fotografische Beiträge von Künstlern, gleichzeitig offenbarte sie auch die obskuren Wege, die Forscher und Denker einzuschlagen vermögen. Doppelsinnige Titelzeilen wie „Schwerkraft unerklärbare Anziehung“ oder „Atemtechnik triviale Möglichkeiten“ wurden dabei als Mittel der Verstärkung und zur Parodie journalistischen Handwerks benutzt.

Fiktion und authentische Dokumentation als Realsatire waren auf den ersten Blick für den Leser nicht auseinanderzuhalten. Es zeigt sich nicht nur in dieser Zeitschriftenreihe, daß Humor in der bildenden Kunst sich oft nicht nur über bildliche Sujets, sondern über literarische Ambitionen vermittelt: in Bildtiteln mit witzigen Wort und Sprachspielen oder in eigenartigen Bild Text Kombinationen und mitunter auch in publizistischen Projekten.

Nun waren auch DADA Zürich und die Pariser Surrealistengruppe mit den Gründervätern André Breton, Louis Aragon und Philippe Soupault in ihren Anfängen primär literarische Bewegungen, zu denen aber sehr schnell auch Maler mit interdisziplinären Beiträgen gestoßen waren. Das Erheiternde in frühen Max Ernst Collagen und Kurt Schwitters Assemblagen ist nicht als Bildwitz zu dechiffrieren (nicht zu verwechseln mit „Bilderwitz“), sondern im Gesamtgeflecht von Bildlichem und Außer Bildnerischem ablesbar, im Zusammenspiel poetischer Titelgebung mit Materialien und formalen Umdeutungen. Von dieser Vorgehensweise zu unterscheiden wären etwa die karikaturhaften Verzerrungen bei George Grosz mit ihrer Tendenz zum Grotesken.

In der kunsthistorischen Rezeption der klassischen Moderne wurde jedoch meistens nur am Rande bei den eben genannten Künstlern auf den humoristischen Hintergrund als wesentlichen Teil des Werkgehaltes verwiesen. Dies ließe sich vielleicht dadurch erklären, daß sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine „Humorkultur“ neben den Disziplinen der „hohen“ Künste zu artikulieren begann; das grafische Werk von Honoré Daumier markiert zeitlich in etwa einen solchen Einschnitt; die einige Zeit später erschienenen Bilderbögen des „Kladderadatsch“ zeigen dann erste Ansätze zu einer Eigenständigkeit innerhalb des damaligen Kunst- und Medienbetriebs.

Als Albert Langen und Thomas Theodor Heine 1896 die politisch-satirische Wochenzeitschrift „Simplicissimus“ gründeten, war damit allerdings auch inhaltlich und in der formalen Gestaltung ein hoher künstlerischer Anspruch verbunden. Der Zeichner Gulbrandsson, der in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen enger Mitarbeiter des Blattes war, hatte einen Lehrstuhl an der Münchner Kunstakademie inne. Die „Simplicissimus“ Lithographien werden auch heute nicht in der Cartoon Schublade abgelegt, sondern als „Kunstblätter“ rezipiert und gehandelt. Aber heute gewinnen nur einige wenige Stars der Illustratoren und Cartoonisten Sektion, Tomi Ungerer etwa, Anerkennung als Hochkunstvertreter. Auch im Ausbildungsprogramm der Hochschulen gehört das Humoristische eher in den angewandten Bereich: F. K. Waechter, Zeichner der „Frankfurter Schule“ („pardon“, „Titanic“), leitete 1989 einen Cartoon Kurs nicht etwa an der Hamburger Kunstakademie, sondern an der dortigen Fachhochschule im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Internationale Akademie für Kunst und Gestaltung“. Wenn dabei die Betonung auf Gestaltung liegt, wird gemeinhin „Zweite Bundesliga“ assoziert, meistens jedoch zu Unrecht.

Vielleicht entwickeln deswegen viele Künstler in Sachen Humor ein Kleinkunst Trauma mit gewissen Berührungsängsten. Immerhin bietet ja auch die Mehrheit der professionellen Komiker in der Unterhaltungsindustrie eher abschreckende Beispiele, seien es die Verkrampftheiten im organisierten Karneval, die Kalauer der Conférenciers auf Butterfahrten und in Schützenzelten oder die spießigen Anzüglichkeiten mancher TV Talkmaster. Die Genügsamkeit des Publikums leistet ihnen Vorschub, denn die Fernseh Ulknudel Hella von Sinnen hatte schon am Anfang ihrer Karriere die Erfahrung machen müssen, daß die Leute am meisten über die Witze lachen, die sie schon kennen“. Konzessionen an derlei Erwartungshaltung widersprächen aber jeglichem innovativen Anspruch der Kunst. Theo Lambertin z.B. mochte denn irgendwann von der Kunstkritik auch nicht länger als „rheinischer Frohmelker“ abgestempelt werden; Charly Banana übte sich zeitweilig in kafkaesker Düsterkeit.

Künstlerkollege Volker Hildebrandt meint dazu: „Ein Künstler muß sicherlich ein großes Selbstvertrauen besitzen, wenn er es wagen will, Elemente des Witzes ins Bild einzufügen. Denn er muß ja fürchten, daß dann der eigentliche, und das ist der ernsthafte, Anspruch seiner Kunst nicht mehr wahrgenommen wird. Er glaubt, als Künstler überhaupt nicht mehr ernstgenommen zu werden.“ Der verstorbene Galerist und Verleger Wolfgang Wangler, ein Anhänger der Bauhaus Tradition und puristischer Kunstrichtungen, räumte zwar ein, daß Kontemplation und Zerstreuung nicht im Gegensatz zueinander stehen müßten, warnte aber: Wenn sie {die Künstler, Anm. d. Verf.} mit Rudi Carrell konkurrieren wollen, ist das keine Basis für die Künstlerarbeit Kunst kann man nicht einfach konsumieren, verbrauchen.“ (5)

Somit zeigt K.G. Gaida eine große Eigenwilligkeit als Verfechter jener Haltung, die im „Lob der Torheit“ des Erasmus von Rotterdam für das alltägliche Dasein eher Identifikationsmöglichkeiten bietet als anderswo. Die Artikulation dessen erfolgt in seinen Arbeiten denn auch folgerichtig nicht auf der Ebene des Burlesken, sondern im Aufzeigen und Aufarbeiten von Untergründigem. Gaida: „Es geht mir nie um die direkte Einsetzung von Gags, sondern um Verdrehungen und Verfremdungen. Wenn bei ‚Hans Kultur‘ das Impressum mit der Zeile ‚wenn das mal gut geht‘ betitelt wurde, so lag und liegt darin eine ironische Selbstreflexion, die eine ‚menschliche Dimension‘ der Arbeit garantieren soll, also auch eine Ablehnung der ‚Abgehobenheit‘ mancher Kunst. Titel oder Schlagzeilen wie‚ Ultra Banales‘ oder ‚Ohne jedes Bewußtsein‘ beschreiben reale Seinszustände.

Ebenso kritisch, aber auch weitaus unbekümmerter und auch unverfrorener gab sich Heinz Zolper, als er in den siebziger Jahren die Zeitschrift „palazo“ herausgab. Er schaffte es u.a., den Schlagersänger Karel Gott zu überreden, sich fotografieren zu lassen, wie er sich just jene Gazette als Papierhütchen zusammengefaltet auf den Kopf stülpte. Bildunterschrift: „Mein Gott, Herr Gott“.

Sigmar Polke, Achim Duchow, C. O. Paeffgen, Bernhard Johannes Blume, Theo Lambertin, Jürgen Klauke und auch Heinz Zolper hatten zumindest im „rheinischen Kosmos“ (Heinrich Böll) vor rund zehn Jahren den geistigen Nährboden vorbereitet, dem expandierenden Kunstrummel mit selbstironischer Distanz zu begegnen. Sehr deutlich konzentriert sich gerade heute der Witz bei Martin Kippenberger, Georg Herold oder Charly Banana auf die bisweilen sarkastische oder gar zynische Artikulation einer Antihaltung zur Gesellschaft allgemein und zum Kunstbetrieb speziell mit bewußtem Bekenntnis zum Trivialen und Banalen.

Erstaunlicherweise empfinden auch heute noch zumindest an bloßer Mainstream Kunst geschulte Rezipienten die Tatsache provozierend, daß dabei vor dem Spiel mit Plattheiten nicht zurückgeschreckt wird. Aber wenn man sich an einem Abend bei einem Galerienrundgang auf ein halbes Dutzend meditativ angelegter Klanginstallationen eingelassen hat, benötigt man schon den herzerfrischenden Anblick einer Herold Arbeit zur Darstellung der umgangssprachlichen Floskel „Alles im Eimer“ oder „Ich bin total im Eimer“, bei der lediglich eine rohe Dachlatte in einem Plastikeimer steckt und entsprechend beschriftet ist. Aber der Stellenwert solcher Arbeiten liegt nicht nur in der Kompensation gegenüber sonstiger sinnlicher und intellektueller Überbeanspruchung.

Wer darüber die Nase rümpft, klammert sich gleichzeitig mit einer bildungsbürgerlichen Beharrlichkeit an ein längst hinfälliges Kulturverständnis, das die Operette immer als „kleine Oper“ gegenüber dem seriösen, tragischen Musikdrama oder ausdrücklich den davon abweichenden Charakter als „komische Oper“ betont hat. Die Rigorosität, mit der bis in die heutige Zeit im deutschsprachigen Raum zwischen E Kunst und U Kunst, zwischen „freier“ und angewandter Kunst bzw. Kunstgewerbe unterschieden wird und die selbst das anspruchsvolle, geistreiche politisch literarische Kabarett als „Kleinkunst“ abhakt, ist den angelsächsischen Ländern fremd.

In Osteuropa hingegen hat durch die Erfahrung mit weitaus repressiveren politischen und gesellschaftlichen Strukturen im Vergleich zum Westen der Humor in der Kunst, mehr noch im Cartoon und im Trickfilm, sich eine subversive Stoßrichtung bewahrt: Dort hat er ganz offensichtlich nicht nur die feierabendliche bzw. unterhaltungsindustrielle Ventilfunktion der reinen Entspannung.

Diese Tradition einer humoristischen Entlarvung politischen Größenwahns durch Zurechtstutzen auf das Maß des Alltäglichen und Humanen, durch Entglorifizierung der Gebärden, Rituale und Ideologien der Macht diese der Lächerlichkeit preiszugeben, wirkt in jenen Ländern auch nach Überwindung des Totalitarismus ungebrochen fort. So ist es nicht verwunderlich, daß bei der Ausschreibung zur „10. Internationalen Biennale des Humors und der Satire in der Kunst“ in der bulgarischen Stadt Grabowo (Sommer 1991) neben Vertretern der Fotografie, der Literatur und des Films ausdrücklich auch die bildenden Künstler angesprochen wurden. Festival Motto: „Überlebt hat die Welt, weil ihr das Lachen gefällt.

Alexander Yakimovich beschreibt in einem Aufsatz, wie wichtig ein spezifischer Humor für die Alltagskultur des „homo sovieticus“ in der Breschnew  wie der Gorbatschow Ära gewesen ist. Man erzählt Kurzgeschichten, dort „Anekdoten“ genannt, in denen die Umbruchsituation reflektiert wird: Ein „Chukcha“, ein Halbwilder, trifft im sibirischen Polargebiet auf eine Forscherexpedition, die sich als „geologische Partei“ vorstellt (solche Forschergruppen werden generell Parteien genannt). „Der kompromißlose Polarheld greift zu seinem Gewehr; er weiß, daß es in seinem sozialistischen Vaterland nur eine einzige Partei geben darf. Der Zuhörer zögert bei diesen Anekdoten. Vernunft und Irrsinn, Intelligenz und Dummheit scheinen sich gegenseitig aufzuheben. Der Witz ergibt sich aus einem Bewußtsein, das Gründe hat, anzunehmen, es gebe überhaupt keine absoluten Werte. Weisheit kann, von einem gewissen Punkt aus betrachtet, dumm sein – und vice versa. Diese Doppeldeutigkeit sagt uns etwas über die historische Erfahrung der Sowjets im 20. Jahrhundert. Relativismus und Mehrdeutigkeit gedanklicher Modelle (wie des Witzes) spiegeln die Situation einer umfassenden Marginalität wider.“ (6)

Der Humor gehört somit zu einer außerintellektuellen und auch außergeschichtlichen Wirklichkeit, der Witz indessen beruht auf der Konstruktion scheinbar unsinniger Zusammenhänge; in ihnen verbirgt sich jedoch ein Sinn, den es aufzudecken gilt als geistige Leistung. Strategisch geschieht dies mittels logischer Kurzschlüsse, die in der Pointe eine Zuspitzung erfahren.

Betrachten wir heute ältere plakative Collagen von Klaus Staeck („Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen! anläßlich der CDU Polemik gegen die sozial-liberale Koalition der siebziger Jahre) oder jene Bilder, mit denen Achim Duchow auf die schwarz rot goldene Vereinigungseuphorie des Jahres 1990 mit beißendem Spott reagierte, so erweist sich bildlich wie literarisch der politische Witz immer als kritischer Gradmesser, auch als Chronik von Zeitumständen.

Darin bestätigt sich auch Lützelers These, daß der Witz zeitgebunden, der Humor milieugebunden sei. Rob Scholte und Teun Hocks lassen ohne Zweifel eine andere Haltung erkennen als Gilbert & George, deren Skurilität „typisch britisch“ anmutet.

Wo aber Verzweiflung und Bitterkeit den Grundtenor ausmachen, kann der Künstler sich höchstens im Genre des schwarzen Humors“ üben. In Anlehnung an Freud sah André Breton die „Großartigkeit“ des Humors generell im „Triumph des Narzißmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs (7). Wer wollte bestreiten, daß gerade eine solche Selbstbehauptung wesentliche Antriebskraft künstlerischer Tätigkeit an sich ist? Das Spezifikum des „schwarzen Humors“ indes beschrieb Breton als schwieriges Metier:Der schwarze Humor wird eingegrenzt von zu vielen Dingen, als da sind die Dummheit, die skeptische Ironie, der gewichtslose Scherz (…), aber er ist par excellence der Todfeind einer Sentimentalität mit stets gehetztem Ausdruck (…) (8)

ANMERKUNGEN
(1) Heinrich Lützeler, „Kölner Humor in der Geschichte“, Bad Honnef 1960, S. 13
(2) Lützeler, ebenda, S. 14
(3) KUNSTFORUM, Bd. 111, S. 416
(4) in: „Hans Kultur Mitteilungen aus der Zivilisation“, hrsg. von K. G. Gaida, Heft 11, Hannover 1987, S. 7 ff.
(5) In: „Symbol Kunst im Rheinland“, hrsg. von W. Wangler, Nr. 1, Köln, November 1989, S. 3
(6) Alexander Yakimovich, „Zum homo sovieticus“, in: „Der Alltag“, hrsg. von Walter Keller, Zürich, Nr. 4/91, S. 126
(7) André Breton, „Anthologie des Schwarzen Humors“, München 1972, S. 12 – vgl. hierzu auch Sigmund Freud „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“, in: Gesammelte Schriften, Bd. 9, Leipzig 1925
(8) Breton, ebenda, S. 20

KUNSTFORUM International, Bd. 120, Kunst und Humor I, 1992

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