Frank-Alexander Hettig – Rob Scholte: Museum Boijmans-van Beuningen, 23.10.-4.12.1988

How to star“? Wenn man glänzt durch Abwesenheit; wenn man handschriftliche Züge im Farbauftrag vermeidet; wenn Pinselstriche so gut wie gar nicht zu erkennen sind; wenn seine Bilder vergrößerten Fotos gleichen; wenn der Eindruck einer mechanischen Reproduktion erweckt wird; wenn der Epigone Rob Scholte die Fragen nach Authentizität, Ursprünglichkeit und individueller Ausdruck stellt?

Auf jeden Fall ist es ihm gelungen, seine erste Soloausstellung mit dem Titel ‚How to star‘ in einem Museum zu bekommen. In dieser Übersichtsausstellung seiner Arbeiten der letzten fünf Jahre ist deutlich, daß die Malerei für ihn nur ein Mittel ist, die Bedeutung des Inhaltes einem großen Publikum vorzuführen.

Die Idee steht bei Rob Scholte im Vordergrund, und danach sucht er in seinem ‚Archif nach Bildmaterial‘, um diese zu einer Idee zu verbinden und ineinander zu verschränken. Diese unterschiedlichen semantischen und optischen Elemente der Realität widerspiegeln seine Idee. Sein ‚enzyklopädisches Interesse‘ wird mit einer Unmenge unterschiedlichster Daten und Fakten konfrontiert, welche wieder zu einer neuen Interpretation zusammenschmelzen. Diese Zusammenhänge erscheinen auf den ersten Blick verworren, widersprüchlich und uneinsehbar, aber später wird es deutlich, daß unserer Erkenntnis stets vorgeformte Bilder zugrunde liegen, denen Rob Scholte durch ihren fremden Kontext ein neue Bedeutungsdimension zuweist. Diese Materialauswahl und dieser Materialgebrauch orientierten sich bei ihm an der Kritik der Erfahrung der Wirklichkeit, die über die Medien vermittelt wird.

Sein Material stammt auch aus den bereits optisch vermittelten Bildern der Massenmedien, wobei selbst die Stichigkeit der Buntbilder wiedergegeben wird. Selbst die Kodak-Farbenkarte, welche zur Reproduktion von Gemälden dient, wird über zwei sich streitende Cherubine gelegt, wobei der Titel ‚Reproduktion verpflichtet“ lautet.

Er gibt eine minuziöse Wiedergabe der Einzelformen, deren Zusammenhang aber nicht unbedingt einer einzigen Vorlage folgt. Gleich der akademischen Ausbildung kopiert auch Rob Scholte einige vorbildliche Werke berühmter Meister, wie zum Beispiel die ‚Olympia‘ von Manet, welche in der niederländischen Presse für einige Aufregung sorgte. So wurde der Kultwert eines Kunstwerkes, durch die Medien vermittelt, nicht nur zerstört, sondern wieder als Medium gebraucht, um Scholtes Reflex darauf zu spiegeln.

Diese schon vorgeformten Bilder, wobei die Oberfläche und Erscheinungsweise wiedergegeben wurden, werden durch seine Freude an Vexierbildern, Spiegelerscheinungen und Rebusse aus ihrem Kontext genommen, um ihnen so eine neue Bedeutung zu geben. Wie das Organ besteht auch die Idee von Scholte aus einer Fülle einzelner Elemente, deren jedes, unabhängig vom anderen, durch Zufallsvariationen seine für das Organ im Ganzen zweckmäßige Gestalt angenommen hat. Wie das allgemeine Prinzip, daß das Ganze stets ‚mehr‘ ist als die Summe der Teile, daß das Element im Ganzen und außerhalb desselben ein anderes ist, können die Elemente, woraus die Werke Scholtes bestehen, auch zerlegt werden, wobei ihre Summe eine neue Idee, eine neue Interpretation ergibt.

Wie seine Portraits, die keine Bildnisse von Personen sind, welche man identifizieren kann, sondern auf die Elemente Attribut, Klischee, Anekdote reduziert sind, werden so nur als Denkbilder gezeigt. Hier werden Abbilder über Abbilder von der Realität geschoben und so die Frage, was ‚wirklich‘ ist, gestellt. Von diesen unerreichbaren ‚Stars‘ besitzen wir nichts als Klischeevorstellungen, die durch die Medien geprägt und gebraucht werden. Auch dies ist ein Beispiel, wie unser Bild der Wirklichkeit durch Medien erzeugt und beherrscht ist. Die Grenze zwischen der Wirklichkeit und der Kunst verwischt, da die Wirklichkeit als scheinhaft interpretiert wird und nicht mehr auf Wahrnehmung beruht, sondern nur auf die durch die Massenmedien vermittelten Bildern.

Diese Wirklichkeit, die Rob Scholte uns vorspiegelt, ist oft spiegelbildlich angeordnet, wobei die Zuordnung durch die Perspektive, durch die sie gesehen wird, auch wechselt. Wie der Kubismus zeigte, daß sich die Wirklichkeit mit dem Blickwinkel und Ausschnitt, der gewählt wird, verändert, ergibt sich bei Rob Scholte auch zusätzlich ein neuer Inhalt. Er beschaut nicht nur die Form aus unterschiedlichen Blickwinkeln, sondern auch deren Bedeutung. Mit spottender Kritik, Humor, Finesse, Raffinement und surrealistischer Phantasie ist so die Frage gelöst: ‚How to star‘.

Kunstforum International, Nr. 98, 1989, S. 299

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