Sonja Philipp – Restriktionskommunikation
Transkript
Restriktionskommunikation
Untersuchung des Prosumenten im Umgang mit Restriktionen
Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts an der Fakultät 02 Gestaltung der Universität der Künste Berlin
Vorgelegt von Sonja Philipp Berlin
Eingereicht am
Gutachter:
Herr Prof. Dr. Jürgen Schulz
2. Gutachter:
Herr Andreas Galling-Stiehler
Abstract
Titel: Restriktionskommunikation –
Untersuchung des Prosumenten im Umgang mit Restriktionen
Verfasser: Sonja Philipp,
Universität der Künste Berlin, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation
Gegenstand:
Diese Bachelorarbeit untersucht das Phänomen des Prosumenten, einer Form des Konsumenten, der selbst auch Produzent ist und Gegenstände, Produkte und Dienstleistungen nach seinen Vorstellungen gestaltet und umfunktioniert.
Im Speziellen wird der Umgang des Prosumenten mit kommunikativen Restriktionen betrachtet. Diese stellen Einschränkungen dar, die der Konsument im Umgang mit Konsumgütern von den Produzenten oder dem Gesetzgeber auferlegt bekommt. Ob und inwiefern diese Restriktionen eine Prosumtion hervorrufen und welche Formen diese annimmt, soll anhand ausgewählter Beispiele und insbesondere anhand des Exempels der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln aufgezeigt werden.
Zusätzlich wird auch die Seite der Produzenten betrachtet, indem Möglichkeiten der Optimierung von Restriktionskommunikation untersucht und dargestellt sowie Vorschläge für eine verbesserte Ansprache des Prosumenten abgegeben werden.
Methode:
Literaturrecherche und interpretative Auswertung verschiedener Beispiele aus der Alltagskultur.
Ergebnisse und Schlussfolgerung:
Die Beispiele zeigen, dass der Prosument Umgangsformen taktischer und strategischer Art entwickelt hat, um mit Restriktionen umzugehen. Produzenten aber auch der Gesetzgeber müssen darauf eingehen, ihre Kommunikation anpassen und vom restriktiven Charakter lösen um eine Persuasion erzeugen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis…
Abkürzungsverzeichnis…
1. Einleitung
1.1 Gegenstand und Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2. Dimension und Definition des Begriffs Prosument
2.1 Der Prosument als Selbst-Produzent
2.2 Der Prosument als Mit-Produzent
2.3 Der Prosument als Mit-Entwickler
2.4 Der Prosument als Hacker und Zweckentfremder
2.5 Auswertung der Prosumenten-Typologie für diese Arbeit
3. Dimension und Definition des Begriffs Restriktion
3.1 Kommunikationsrestriktion
3.2 Folgen der Kommunikationsrestriktion
3.3 Restriktionskommunikation
3.3.1 Explizite Restriktionskommunikation
3.3.2 Implizite Restriktionskommunikation
3.4 Prosumtion von Restriktionskommunikation
4. Fallbeispiel: Warnhinweise auf Zigarettenschachteln
4.1 Aktuelle Gesetzeslage und Form der Warnhinweise
4.2 Der Prosument im Umgang mit den Warnhinweisen
4.2.1 Tangible Umgangsformen
4.2.2 Intangible Umgangsformen
4.2.3 Motive für die Prosumtion
4.3 Der Produzent im Umgang mit den Warnhinweisen
4.3.1 Konventionelle Umgangsformen am Beispiel der Klassiker
4.3.2 Unkonventionelle Umgangsformen am Beispiel von FRED
5. Bewertung und Ausblick
Anhang
Noten
Literaturverzeichnis…
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Prosumenten-Typen im Überblick Abbildungen
Abbildung 2-5: Beispiele für explizite Restriktionskommunikation auf Produkten Abbildungen 6-7: Implizite Restriktionskommunikation (Bedienungs- und Aufbauanleitung)
Abbildung 8: Implizite Restriktionskommunikation (Spielanleitung)
Abbildungen 9-10: Beispiele für explizite und implizite Restriktionskommunikation Abbildungen 11-14: Hacks von Warn- und Hinweisschildern im urbanen Raum
Abbildungen 15-16: Prosumtion mit Restriktionen in Form von Gebrauchs- und Aufbauanleitungen
Abbildung 17: Hack eines IKEA-Hochbetts
Abbildung 18: Warnhinweise auf deutschen Zigarettenverpackungen (Vorderseiten) Abbildung 19: Warnhinweise auf deutschen Zigarettenverpackungen (Rückseiten) Abbildung 20: Selbstgebastelte Zigarettenschachtel und Tasche als Umverpackung Abbildung 21: Bastelanleitung für Zigarettenschachtel im Swing-Style
Abbildung 22: Selbstgemachte Taschen und Umverpackungen für Zigarettenschachteln
Abbildung 23: Ulkige Warnhinweise zum Selbst-Bekleben
Abbildung 24: Screenshot aus dem Programm Fluppen-Drucker
Abbildung 25: Facebook-Seite von WARNHINWEIS.COM
Abbildung 26: Ausschnitt aus der ZDF Heute-Show vom , Folge
Abbildung 27: Der Warnhinweis als Protest-Botschaft
Abbildung 28: Warnhinweise, die auf andere Produkte übertragen wurden
Abbildungen 29-30: Zum Verwechseln ähnliche Zigarettenschachtel-Designs
Abbildung 31: Foto eines Zigaretten-Verkaufsregals
Abbildung 32: Kaschieren des Warnhinweises durch Verstecken
Abbildung 33: Kaschieren durch richtiges Ausleuchten
Abbildung 34: Kaschieren durch Perspektive, Verdecken und Anordnung
Abbildung 35: FRED-Claim und Wasted-German-Youth Logo
Abbildung 36: Inspiration für FRED
Abbildung 37: FRED-Verpackungsdesign vor offizieller Einführung der Warnhinweise
Abbildung 38: FRED-Produktverpackung (Softpack)
Abbildung 39: Space Invaders auf FRED-Reklametafel
Abbildung 40: FRED Guerilla-Streetart
Abkürzungsverzeichnis
Abb…. Abbildung
bzw…. beziehungsweise
d. h…. das heißt
ebd…. ebenda
et al…. und andere
e. V…. eingetragener Verein
f…. und folgende Seite
ff…. und mehrere folgende Seiten
o. S…. ohne Seitenangabe
u. a…. unter anderem
usw…. und so weiter
S…. Seite
vgl…. vergleiche z.
B…. zum Beispiel V
1. Einleitung
1.1 Gegenstand und Ziel der Arbeit
Heute reicht das Befriedigen der Bedürfnisse, die unser Überleben sichern und unserem Anspruch nach Qualität und Bequemlichkeit gerecht werden, dem normalen Konsumenten nicht mehr aus. Vielmehr strebt er nach Individualität und dem Erzeugen eines Sinns in seinem Konsumverhalten (Friebe & Ramge, 2008, S. 195). Er bildet somit den Gegenpol zum Modell des sogenannten Konsumäffchens, welches für den passiv reagierenden und triebgesteuerten Konsumenten steht (Karmasin, 1993, S. 25).
Es deutet einiges darauf hin, dass es den klassischen unmündigen und inaktiven Konsumenten nicht mehr gibt und der Otto Normalverbraucher von einem modernen und emanzipierten Konsumenten, dem sogenannten Prosumenten abgelöst wird (Friebe & Ramge, 2008, S. 61). Dieser möchte vermehrt seine Produkte selbst erzeugen bzw. Einfluss auf den Produktionsprozess haben und diesen aktiv mitgestalten und -bestimmen. Prosumenten wollen ihre eigene Welt kreieren, anstatt sie von Produzenten oktroyiert zu bekommen (Friebe & Ramge, 2008, S. 202). Denn anders als von Unternehmen häufig konzipiert und intendiert, nutzen und besitzen die Prosumenten die Produkte und Marken nach ihren eigenen Vorstellungen und Bedeutungszuweisungen. Eine Markenidentität in diesem Sinne entsteht somit erst durch die Koproduktion zwischen Nutzer und Hersteller also als Ergebnis von Prosumtion (Liebl & Mennicken, 2005, S. 15 ff.). Auch der französische Philosoph und Soziologe Michel de Certeau erläutert in Die Kunst des Handelns, dass der Konsum als ein Akt der Produktion zu anzusehen ist und diese erst mit dem Dazutun des Konsumenten vervollständigt wird. Somit können sich Konsumenten der Macht von Produzenten widersetzen (vgl. de Certeau, 1980).
Es ist jedoch nicht möglich, eine eindeutige Beschreibung des Prosumenten in der wissenschaftlichen Literatur zu finden. So gibt es viele verschiedene Phänomene, welche unter diesem Begriff zusammengefasst werden (Woermann, 2010, S. 170). Ziel dieser Arbeit ist, das Bild des Prosumenten nach Vorstellung und Analyse verschiedener Werke zu dem Thema schärfer zu zeichnen und eine klare Definition der verschiedenen Ausprägungen zu liefern.
Diese Arbeit wird des Weiteren untersuchen, ob und in welcher Form das Prosumtionsverhalten als Gegentrend zur Machtausübung durch Institutionen in Form von Restriktionen erfolgt. Denn häufig wird Verbrauchern durch den Produzenten, dem Händler oder der Politik eine Einschränkung auferlegt, die sich auf die Nutzung eines Produkts oder einer Dienstleistung bezieht. Dies erfolgt häufig in Form von Verboten oder Hinweisen am oder auf dem Produkt. Damit wird ein individueller und eigenständiger Gebrauch restringiert und der Konsument kann in seiner Freiheit eingeschränkt werden. Daher soll untersucht werden, ob sich die Nutzer von Produktionen mit Prosumtionen, also eigenen Produktionen und Umnutzungen, ihre Macht zurückerobern oder sich zumindest der Macht der Produzenten oder gesetzlich vorgegebenen Restriktionen widersetzen.
Dazu wird insbesondere der Fall der Restriktionskommunikation in der Zigarettenindustrie betrachtet: Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, die seit Ende des Jahres 2002 durch die Europäische Union als verpflichtender Bestandteil des Verpackungsdesigns sind (Schaller & Pötschke-Langer, 2012, S. 199).
Diese Hinweise sollen an die Angst der Verbraucher appellieren und auf Probleme sowie Gefahren durch das Rauchen hinweisen. Doch die Konsumenten entwickeln eine typisch menschliche Neigung zur Verdrängung oder gar Abweisung solcher Furchtappelle und reagieren mit eigenen Mitteln auf diese Art der Diskriminierung und Bevormundung (Fritz, 2004, o. S.).
Auch auf Produzentenseite erfolgt durch diese neue EU-Richtlinie eine Einschränkung in der Kommunikation. So ist nun gesetzlich vorgeschrieben, wie ein Teil der Produktgestaltung aussehen muss. Bezogen auf Form, Größe, Farbe, Schrift und Inhalt werden präzise Vorgaben gemacht, die für die Zigarettenhersteller unumgänglich sind (Pötschke-Langer & Schulze, 2005, S. 465). Doch auch hier gibt es Potenzial und Methoden, um diese Einschränkung abzuschwächen und den Prosumtionen entgegenzuwirken oder diese sogar positiv zu provozieren.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie der Prosument und der Produzent auf diese Form der Restriktion reagieren und eingehen. Dazu werden zahlreiche Beispiele herangezogen und nach dem folgenden Aufbau der Arbeit ausgewertet.
Anzumerken ist, dass sich diese Arbeit auf die Form der aktuellen Warnhinweise in Deutschland bezieht. Geplante oder internationale Ausprägungen der Restriktionen auf Zigarettenschachteln, wie beispielsweise bildgestützte Warnungen, werden hierbei nicht berücksichtigt.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit stets das generische Maskulinum verwendet, welches weibliche und männliche Personen einschließt.
1.2 Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit soll der Prosument im Umgang mit Restriktionen in einem empirischen Forschungsansatz untersucht werden. Dabei sollen die Ausprägungen des Prosumenten beschrieben und sein Umgang mit Restriktionskommunikation am Beispiel der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln veranschaulicht werden.
Kapitel 2 beinhaltet zunächst die Grundlagen und das Verständnis zum Begriff des Prosumenten. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
– Was zeichnet den Prosumenten aus?
– Welche Umgangs- und Handlungsformen sind erkennbar?
Hierbei soll auch eine Definition und Taxonomie des Begriffs Prosument erfolgen.
In Kapitel 3 wird der Begriff Restriktion definiert und die gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf die beiden Akteure Prosument und Produzent vertiefend diskutiert. Die Erkenntnisse werden in einzelnen prägnanten Thesen zusammengefasst. Zum einen geht es in diesem Abschnitt um das Erkennen möglicher Umgangsformen des Prosumenten in Bezug auf Restriktionskommunikation sowie deren jeweilige Implikationen auf die restringierte Kommunikation seitens der Produzenten. Dabei sollen folgende zentrale Fragen geklärt werden:
– Wie geht der Prosument mit Restriktionen um und welche verschiedenen Ausprägungen sind sichtbar?
– Mit welchen Strategien können die Unternehmen auf den Prosumenten reagieren und mit den Kommunikationsrestriktionen umgehen?
Zum anderen wird versucht, zu jeder Ebene eine These aufzustellen, welche die zentrale Erkenntnis bzw. die Entwicklung auf dieser Ebene relativ scharf abbildet und damit zusammenfasst.
In Kapitel 4 soll anhand der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, als ein Beispiel für Restriktionskommunikation und auch Kommunikationsrestriktion, der Gegenstand dieser Arbeit empirisch dargelegt werden. Denn dieser Fall bildet die Kernfragen aus Kapitel 3 anschaulich ab:
– Welcher Möglichkeiten und Praktiken bedienen sich die Prosumenten auf tangibler und intangibler Ebene in Bezug auf die Restriktionen und was sind ihre Motive dafür?
– Mit welchen Mitteln können die Unternehmen auf den Prosumenten reagieren und auf die Restriktion antworten bzw. mit ihr umgehen?
Es wird versucht, die dargelegten Fragestellungen weitestgehend zu beantworten bzw. zu berücksichtigen. Dazu dient eine Recherche in der Populär- und Alltagskultur nach Umdeutungs- und Aneignungspraktiken von Warnhinweisen sowie die Beschreibung der Kommunikation und Produktgestaltung unterschiedlicher Zigarettenmarken. Diese Informationen werden inhaltlich nach einem festgelegten Muster analysiert und als Sekundärdaten für die induktive Interpretation herangezogen. Dabei werden die speziellen Beispiele und Erkenntnisse daraus explorativ auf die erarbeiteten Thesen übertragen und damit verallgemeinert.
Abschließend sollen im letzten Kapitel die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und daraus hervorgehende Folgerungen dargelegt werden.
2. Dimension und Definition des Begriffs Prosument
Etymologisch ergibt sich die Herkunft des Begriffs Prosument, aus der Verschmelzung der Bezeichnungen Produzent und Konsument. Im Englischen steht der Begriff Prosumer gleichermaßen für die Mischform aus Consumer und Producer (Hellmann, 2010a, S. 17; Michel, 2000, S. 73; Toffler, 1980, S. 284).
Er beschreibt eine Abgrenzung vom passiven Konsumenten sowie dem ökonomisch agierenden Produzenten und damit eine Entwicklung hin zu einem Phänomen, das Eigenschaften beider Akteure vereint und weitaus komplexere Strukturen aufweist.
Denn lange Zeit differenzierte man lediglich zwei Rollen im Wirtschaftssystem. Die eine Rolle definiert sich dadurch, dass sie Leistungen fordert und empfängt. Sie ist mit Eigenschaften eines Publikums ausgestattet und wird mit dem Begriff Konsument bezeichnet. Dieser lässt sich jedoch noch weiter aufteilen in den Käufer, welcher Tätigkeiten bezogen auf die Zahlung von Leistungen ausübt, und den Kunden. Der Begriff Kunde beschreibt die Rolle des Käufers bzw. Konsumenten, der im Beratungsprozess vor oder nach einem Kauf oder Leistungserhalt involviert ist (Hellmann, 2010a, S. 26 ff.). Die zweite Rolle im System beschreibt den Akteur, der die geforderte Leistung erfüllt: der Produzent. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er Arbeit verrichtet. Arbeit ist jedoch ein sehr weit gefasster Begriff, so dass nahezu jede Ausübung einer Tätigkeit als eben diese zu verstehen ist. Genauer formuliert bedeutet die Erfüllung einer Leistung durch einen Produzenten, die Schaffung eines Wertes durch die von anderen Akteuren wahrgenommene und wertgeschätzte Ausführung eines Produktionsprozesses in mehreren Arbeitsschritten (ebd., 2010, S. 30 ff.).
Doch gerade in der Trennung zwischen Konsument und Produzent liegt die Schwierigkeit: wo genau hört Konsumtion auf und fängt Produktion an? Denn die Grenze ist fließend: Produktion und Konsumtion beinhalten jeweils beide immer auch eine Prosumtion (Ritzer, 2010, S. 63). Häufig sind Kunden in einigen Schritten des Produktionsprozesses bereits involviert, bevor sie zum potenziellen Käufer werden: sie produzieren mit. Ebenso beeinflusst der Konsument durch das Fordern von Leistungen den Produzenten und trägt einen wesentlichen Teil zu seiner Rolle und seinen Aufgaben bei. Hellmann umschreibt Prosumtion demnach mit folgender Definition, um sie von reinen Konsumtionsaktivitäten zu unterscheiden:
“Prosumtion liegt immer dann vor, wenn zur Herstellung einer Sach- oder Dienstleistung, die vor allem für die Eigenverwendung gedacht ist und von daher ihren Gebrauchswert bezieht, ein Beitrag geleistet wird, ohne den der Herstellprozess unabgeschlossen bleibt, unabhängig davon, ob für diese Leistung bezahlt werden muss oder nicht” (ebd., 2010a, S. 36).
Alvin Toffler proklamierte bereits 1980 in seinem Werk Die dritte Welle, die verschiedene Entwicklungsstadien der Gesellschaft als Wellen bezeichnet, einen Wandel, der einen Prosumenten hervorbringt, welcher nicht mehr nur konsumiert, sondern auch selbst produziert (Toffler, 1980, S. 274). Er beschreibt seine Handlungen die Prosumtion zunächst im Sinne der Selbstproduktion ohne wirtschaftliche Absichten, als Phänomen der ersten Welle der Gesellschaftsentwicklung. In dieser Phase waren die meisten Menschen Selbstversorger und produzierten lediglich für den Eigenbedarf (production for use). In der nachfolgenden zweiten Welle, sorgte die Industrialisierung dafür, dass Konsumgüter für den Markt produziert wurden, d. h. eine Erzeugung für den Austauschsektor erfolgte (production for exchange). Als Pendant dazu definiert Toffler einen zweiten Sektor, welcher sich weiterhin durch Produktion für den Eigenbedarf kennzeichnet. Dieser Sektor wurde nicht als ein Teil der Marktwirtschaft anerkannt. Die darauf folgende dritte Welle erfährt mit der wachsenden Bedeutung des Prosumenten eine vermehrte Integration von Selbstproduktions- Tätigkeiten in ökonomische Prozesse. Somit wird die Trennung der beiden Sektoren aus der zweiten Welle wieder unschärfer (Hellmann, 2010a, S. 17 f.; Galeski & Kebben, 2009, S. 46 f.).
Dieser Wandel wird laut Toffler durch Faktoren wie neue verfügbare Technologien, hohe Arbeitslosenquote, enorme Preissteigerungen bei Produkten und Dienstleistungen, u. a. hervorgerufen (Toffler, 1980, S. 282). Aber auch das Streben nach Kontrolle als Gegenpol zur Fremdbestimmung, die Abkehr von Gehorsam als Reaktion auf die unternehmerische Macht sind wichtige Faktoren. Hinzu kommt der Aktivitätsdrang der Menschen, der Drang nach Selbstverwirklichung und die Besinnung auf Identitätsstiftung und Selbstbestimmung, die in der Gesellschaft immer wichtiger werden (Blutner, 2010, S. 85; Michel, 2000, S. 81). Entwicklungen wie das Internet vereinfachen oder ermöglichen erst die Verwirklichung dieser Wünsche.
Das Mit- und Selbstgestalten des Prosumenten hat mit der Entwicklung neuer Intenet-Technologien, insbesondere dem Web 2.0 (1), eine neue Dimension erreicht. Eine aktive und direkte Mitgestaltung sowie ein hohes Involvement also der Grad der Auseinandersetzung und des persönlichen Engagements bezogen auf Herstellungs- und Gestaltungsarbeiten sind heutzutage durch eine einfachere und zugänglichere Form der Partizipation möglich (Hellmann, 2010a, S. 13). Dabei spielt die Art der Interaktion zwischen den Akteuren Prosument und Produzent eine wichtige Rolle: Die Weiterentwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien bis hin zum Web 2.0 leistet einen wesentlichen Beitrag zum heutigen Einfluss des Prosumenten auf Wirtschaft und Gesellschaft.
“Die neuen Möglichkeiten im Web 2.0 führen zu einer grundlegenden Veränderung der Anbieter-Kunden-Beziehung. Die klassische Aufteilung in Konsument und Produzent verliert immer mehr an Gültigkeit und die Grenzen verschwimmen zunehmend” (Blömeke et al., 2008, S. 291).
Es besteht nun für Jedermann die Möglichkeit, ohne große Barrieren, Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren und Teil der Wertschöpfung eines Unternehmens zu werden. Dabei können Druck oder Kritik auf Produzenten ausgeübt werden, Produkte bewertet oder gar mitentwickelt werden. Die Verbraucher sind nun in der Lage, größeren Einfluss auf Produkte und Produktion auszuüben (Hass et al., 2008, S. 4 ff.).
Des Weiteren besteht mit dieser neuen Form der Vernetzung auch eine neue Art der Kommunikation, die nicht mehr nur eine Richtung vorgibt, sondern dem Konsumenten auch ermöglicht, zum Produzenten von eigenen Inhalten zu werden. Individuelle Kommunikation kann nun wesentlich einfacher erfolgen und einzelne Meinungen und Beiträge mit wenigen Klicks veröffentlicht werden (Kilian et al., 2008, S. 10).
Der Begriff Prosument bzw. Prosumtion nimmt in vielen Werken jedoch unterschiedliche Formen an und wird mit divergierenden Eigenschaften und Funktionen besetzt. Bei einer sorgfältigen Sichtung der Literatur zum Thema dieser Arbeit wird offensichtlich, dass sich die Aussagen zum Prosumenten auf teilweise unterschiedliche Verhaltensweisen und Ausprägungen beziehen. Dies hängt mit den zahlrechen Parametern zusammen, anhand derer der Prosument von den Autoren definiert wird. Einerseits wird Prosumtion erst als solche angesehen, sobald sie eine freiwillige Tätigkeit unabhängig vom Markt und ökonomischen Absichten darstellt andererseits wird jedoch auch die Selbstbedienung als Form dieses Phänomens angesehen, welche aber oftmals in einen marktwirtschaftlichen Prozess eingebettet ist und vom Konsumenten nicht immer freiwillig ausgeführt wird (Hanekop & Wittke, 2010, S. 97). Neben den ökonomischen Aspekten, dass Prosumtion beispielsweise eine Folge der Kostenersparnis darstellt, sind andererseits auch identitätsstiftende Motive und das Streben nach mehr Selbstständigkeit zu berücksichtigen (Woermann, 2010, S. 170 f.). Daher erfolgt im Folgenden eine Typologie der unterschiedlichen Verständnisse, die zum Begriff des Prosumenten in der Literatur aufgeführt werden.
2.1 Der Prosument als Selbst-Produzent
Der Prosument als Selbst-Produzent definiert sich laut Toffler vor allem im Trend der Selbsthilfegruppen und in der Do-it-yourself-Bewegung (DIY). Veranstalter und Teilnehmer von selbsthelfenden Organisationen liefern die nötige Unterstützung und Beratung selbst. Aus passiven Abnehmern von solchen Leistungen werden aktive Teilnehmer, die von eigenen Ratschlägen und Erfahrungen profitieren (ebd., S. 275 f.). Das Verlangen, Dinge selbst zu produzieren und Leistungen auszuführen überträgt sich auch in den privaten Bereich. So wird vermehrt im Haushalt auf eigene handwerkliche Tätigkeit und selbstständiges Handeln und Produzieren gesetzt (Hagemeister, 2009, S. 175 ff.).
Demzufolge muss der Prosument im Vergleich zum Konsument über mehr Ressourcen bzw. Fähigkeiten verfügen. Technisches Können, Geschick oder ein bestimmtes Fachwissen sind Voraussetzung für das Selbst-Produzieren (Hellmann, 2010b, S. 222).
Die Motive für dieses Verhalten sind einerseits Kosten- und Zeitersparnis sowie eine mögliche Qualitätssteigerung aber auch das Bedürfnis, autonom und sinnstiftend handeln zu können. Aus dem einstigen passiven Konsument wird ein Prosument, der selbständig und kreativ agiert und sich somit unabhängig von den Produzenten entfalten kann (Hagemeister, 2009, S. 177; Michel, 2000, S. 75). Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Selbstverwirklichung stellt auch die Kontrolle als Mittel persönlicher Souveränität dar: Als Gegenbewegung zur Fremdbestimmung durch den Handel und Unternehmen geht der Prosument seinem Drang nach, Handlungen und Ereignisse selbst kontrollieren zu können (Michel, 2000, S. 81). Die Selbstproduktion unterliegt dabei immer einer sogenannten Make or buy- Entscheidung, wobei der Prosument zunächst die Motive gegenüber dem Angebot des Markts abwägt und sich dann für oder gegen die Marke Eigenbau entscheidet (ebd., S. 75; Hagemeister, 2009, S. 178; Kotler, 1986, S. 513).
2.2 Der Prosument als Mit-Produzent
Toffler selbst und andere Autoren erweitern die Bedeutung des Prosumenten als reinen Selbstproduzenten auf die Funktion eines Mit-Produzenten (Michel, 2000, S. 73). Damit wird das Einbeziehen des Konsumenten in den Prozess der Herstellung eines Produkts oder der Ausführung einer Dienstleistung umschrieben. Aus dem Produktionsprozess werden Teilschritte auf den Konsumenten übertragen ihm kommen nun immer mehr Aufgaben zuteil, die zuvor noch dem Produzenten bzw. Dienstleister zufielen (Toffler, 1980, S. 278 ff.).
Als Beispiele hierfür nennt Toffler die Entwicklung der Selbstbedienung in den 70er Jahren, als Tankstellen und Banken im Zuge der Ölkrise begannen, verschiedene Arbeitsschritte an den Konsumenten auszulagern (Hellmann, 2010a, S. 18; Galeski & Kebben, 2009, S. 47).
Auch Telefon-Hotlines, die Arbeitsschritte für den Verbraucher zur Selbstausführung erklären, oder Konto- und Buchungsterminals online wie offline gehören zu dieser Kategorie. Ob Selbstaufbau von Möbeln oder Entsorgung von Essensresten im Fast-Food-Restaurant viele Prozesse, die früher zu den Aufgaben der Produzenten und Dienstleistern gehörten, werden heutzutage an die Konsumenten ausgelagert, die somit einen Teil der Produktion selbst übernehmen und zu Prosumenten werden (Blättel-Mink, 2010, S. 7; Hellmann, 2010a, S. 19).
Dieser Wandel bietet jedoch Vorteile für beide Seiten: die Unternehmen profitieren von Zeit- und Kostenersparnissen durch die Aktivität seitens der Prosumenten und diese wiederum sind in der Lage, sich oftmals schneller und kostengünstiger zu behelfen, indem sie beispielsweise Informationen auf Webseiten selbst einholen, Materialien downloaden oder Vorgänge buchen und durchführen, die sonst mit Zusatzkosten verbunden sind. Zudem unterstützt auch dieses Vorgehen wiederum das Bedürfnis des Prosumenten, aktiv und mit der Fähigkeit zur Selbsthilfe zu agieren (Slywotzky & Morrison, 2001, S. 24).
2.3 Der Prosument als Mit-Entwickler
Das Verständnis von Koproduktion und den Aufgaben der Prosumenten ist in der aktuellen Literatur nicht mehr nur auf die Mithilfe in Bezug auf die eigentliche Ausführung, also die Produktion selbst, sondern auch auf die vorangehenden Schritte der Entwicklung zu übertragen. Es impliziert eine weitaus umfangreichere Kooperation, die über Selbstbedienungs- und Selbstaufbau-Konzepte hinaus geht (Blättel-Mink, 2010, S. 7 f.).
So erweitern auch Ralf Reichwald und Frank Piller in ihrem Werk Interaktive Wertschöpfung den ursprünglichen Prosumenten-Begriff von Toffler als einen Konsumenten der überwiegend eigenen und autonomen Produktion um den Aspekt der Kooperation mit Unternehmen (Reichwald & Piller, 2009, S. 1). Sie sehen den klassischen Prosumtions-Begriff als ein zwanghaftes Konzept, in dem die Nutzer von Produkten und Dienstleistungen zur Mithilfe und Mit-Produktion genötigt werden. Heutzutage wird die gemeinsame Erzeugung von Gütern und Leistungen jedoch immer mehr auf eine freiwillige Ebene transferiert, in denen die Prosumenten zwanglos am Entwicklungs- und Produktionsprozess teilnehmen können (ebd., S. 54 f.).
Konzepte wie Co-Produktion, Co-Creation, Mass Customization und Open Innovation beschreiben Möglichkeiten, wie Konsumenten bereits vor der eigentlichen Herstellung von Produkten oder Ausführung von Dienstleistungen in unterschiedliche Entwicklungsstufen integriert werden können. Dabei geht es vor allem darum, die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer zu identifizieren, nähere Informationen über sie und ihr Konsumverhalten einzuholen und auch Ideen für neue Produkte und Leistungen zu generieren. Als interaktive Wertschöpfung wird dabei das Einbeziehen von Wissen und die Mitarbeit durch ein externes Netzwerk verstanden. Hierbei sind nun nicht mehr nur die unternehmensinternen Mitarbeiter sondern auch die zukünftigen Nutzer aktiv (ebd., S. 48 ff.). Das Konzept der Open Innovation (2) bezieht sich dabei überwiegend auf den Prozess der Entwicklung neuer Innovationen durch Unternehmensexterna und Mass Customization (3) beschreibt eine Individualisierung von Gütern und Leistungen innerhalb des Produktionsprozesses. Beide Formen kennzeichnen sich jedoch generell durch das Prosumieren als eine neue Form von Arbeitsteilung (ebd., S. 53).
Obwohl Toffler bereits vorausgesagt hat, dass sich Unternehmen immer mehr von den Kunden in Bezug auf die Entwicklung und das Design neuer Produkte helfen lassen (Toffler, 1980, S. 280), so stehen in seinem Verständnis jedoch immer noch die Unternehmen im Mittelpunkt der Wertschöpfung und die Teilhabe der Kunden bezieht sich lediglich auf die Feedback-Funktion und nicht auf die Mit-Entwicklung. Die von Reichwald und Piller beschriebene Form der Wertschöpfung erzeugt auf den heutigen übersättigten Märkten jedoch einen Mehrwert für die Produzenten, indem neben einem monetären Beitrag seitens der Nutzer auch wichtige Informationen zur Produktentwicklung beigesteuert werden. Die alte Form der Konsumenten wird durch den Prosument ersetzt, der nicht mehr nur am Ende einer Wertschöpfungskette steht sondern sich in einem fortlaufenden Kreislauf bewegt.
“[Der Prosument] eröffnet [ ] neue Nischen und Spielräume für Anbieter, die seine Bedürfnisse verstehen. Prosuming verändert alles: Produktdesign, Markenstrategie, Ansprache in der Werbung, Ausgestaltung der Services” (Friebe & Ramge, 2008, S. 86 ff.).
Das Ermöglichen einer Partizipation des Prosumenten am Prozess der Produktentwicklung kann auch dem Arbeitsschritt der Fertigung nachgelagert werden. So entstand beispielsweise die Agentur Trnd (The real network dialogue), die sich mit der Kommunikation von Konsumenten beschäftigt und diese mit entsprechenden Unternehmen zusammenbringt.
“Mitglieder dürfen Produkte testen. Sie bekommen Kaugummis, die noch nicht auf dem Markt sind. Oder sie dürfen Autos zur Probe fahren, erhalten für eine bestimmte Zeit einen HD Beamer für den Heimkino-Abend oder einen Sack voll Cellulite-Creme. Die besonders Glücklichen reisen auf Kosten eines Fernreiseveranstalters nach Asien und testen Blicke aufs Meer” (Ramge, 2008, S. 72).
Im Gegenzug sammeln die Produzenten von den Mitgliedern verfasste Erfahrungsberichte und Rückmeldungen zur Bewerbung im eigenen Freundeskreis, um Feedback für Produktoptimierungen und Erfolgspotenzial zu erhalten (ebd.). Diese Form der Prosumtion führt weg von der einseitigen Kommunikation vom Produzenten zum Konsumenten und hin zu einer kollaborativen Entwicklung und Produktion, die beide Seiten integriert und gegenseitig Vorteile schafft. 11
2.4 Der Prosument als Hacker und Zweckentfremder
Der Prosument wird in der Literatur häufig als ein Akteur angesehen, der Angebote der Produzenten zur Beteiligung an Prozessen der Produktentwicklung und -evaluation nutzt (Stauss, 1994, S. 1438).
Toffler sieht den Begriff der Prosumtion allgemein gefasst als eine Produktion für den eigenen Nutzen eine Herstellung für sich selbst. Der Prosument unterscheidet sich vom Konsument indem er nicht nur einfach etwas kauft, sondern einen eigenen Beitrag zur Produktion leistet.
Dabei schauen diese Autoren lediglich auf den Vorgang beginnend vom Bedürfnis und Kaufwunsch bis hin zum Erwerb eines Produkts. Welche Aktivitäten der Prosument allerdings nach dem Erwerb einer Sache oder Dienstleistung an den Tag legt, lassen sie außen vor (Hellmann, 2010a, S. 22 f.). Denn dem Entwicklungs- und Produktionsprozess nachgelagert tritt ein vierter Prosumententyp auf: der Hacker (4) und Zweckentfremder. Dieser ist souverän und geht mit Produkten und Dingen ganz nach seinen eigenen Vorstellungen und Vorlieben um ohne dabei auf Intentionen und Implikationen seitens der Produzenten zu achten.
Der Prosument neigt, im Vergleich zum weniger souveränen Konsumäffchen, dazu, vorgefundene Produkte als Basis für eine kreative und zweckentfremdete Nutzung zu gebrauchen (Friebe & Ramge, 2008, S. 84 f.). So beschreibt auch de Certeau den Konsum als eine weitere Form der Produktion, die er Fabrikation nennt.
“[Diese kennzeichnet sich dadurch, dass sie] listenreich und verstreut [ist], aber sie breitet sich überall aus, lautlos und fast unsichtbar, denn sie äußert sich nicht durch eigene Produkte, sondern in der Umgangsweise mit den Produkten, die von einer herrschenden ökonomischen Ordnung aufgezwungen werden” (de Certeau, 1980, S. 13).
Es handelt sich also um eine besondere Kraft, die im Konsum liegt. Eine zweite Art der Produktion, die sich durch die performativen, improvisierten und ritualisierten Gebrauchsweisen und nach persönlichen Bedürfnissen umfrisierten Dingen kennzeichnet (ebd., S. 14 ff.).
Diese Prosumtionsform unterliegt dabei den verschiedenen Machtverhältnissen auf dem Markt und der Unterscheidung zwischen Strategie und Taktik (5). Adorno und Horkheimer Vertreter der Kritischen Theorie schrieben dem Konsumenten eine Unterlegenheit gegenüber den übermächtigen Produzenten zu. Eine Ungleichverteilung der Ressourcen auf dem Markt verschafft der Leistungsgeber-Seite mehr Macht als der Leistungsempfänger-Seite (Hellmann, 2010a, S. 27).
Für de Certeau stellt die Strategie eine Macht dar, die einen eigenen Ort inne hat. Dies kann eine Institution, ein Unternehmen o. ä. sein. Demgegenüber stellt er die Taktik, die keinen eigenen Ort oder Raum hat, sondern von der Zeit abhängig ist, mit Ereignissen und günstigen Gelegenheiten spielen muss. Somit sind Unternehmen in der Lage, strategisch zu handeln. Sie besitzen Macht. Um sich dem zu widersetzen, bedienen sich die Prosumenten taktischer Kunstgriffe, Streichen, Listen und Basteleien. Sie werden zu sogenannten Bricoleuren und Zweckentfremdern, die durch die eigene Art des Gebrauchs aus ihrer schwachen eine starke Position erzeugen (de Certeau, S. 23 ff.).
Auch Liebl et al. beschreiben in ihrem Werk Cultural Hacking diese Form der Zweckentfremdung und führen die Definition von de Certeau fort:
“Der Konsum entpuppt sich als ein zweiter Akt der Produktion, in dem ein Produkt erst seiner endgültigen Bedeutung und Zweckbestimmung zugeführt wird; und dabei verwenden die Konsumenten die Dinge oftmals ganz anders, als es vom Anbieter vorgesehen ist” (Liebl et al., 2005, S. 22).
Für diese Form der Prosumtion verwendet Liebl auch den Begriff des Hackings, welcher jedoch das Verständnis der Zweckentfremdung von de Certeau noch weiter führt. Denn anders als bei de Certeau beschreibt das Hacking als Form der Bricolage und Umfunktionierung jedoch professionelle Verhaltensweisen des Amateurbereichs, die schon als strategisch anzusehen sind. Die Nutzer erhalten so Macht über die Unternehmen und sind imstande, Strategien zu entwickeln (Liebl et al., 2005, S. 20).
“Der kreative Missbrauch bzw. die Umdeutung eines Produkts ist in diesem Falle eine gängige Strategie der Verwender, um mit den Widrigkeiten des Alltags und der Einfallslosigkeit der Hersteller umzugehen. [ ] Und letztere weisen trotz Anstrengungen, am Puls des Trends zu agieren bemerkenswerte Trägheit auf (ebd., 2005, S. 22).
Dennoch arbeiten diese Strategien mit den taktischen Mitteln der subversiven Guerilla. Denn auch Cultural Hacking erfolgt immer noch auf fremdem Terrain den Produkten oder der Marke der Hersteller. Daher erfolgt eine Strategie der Nicht- Strategie (autonome a.f.r.i.k.a. gruppe et al., 2001, S. 75), die sich den Methoden der Kommunikationsguerilla bedient. Durch taktisches und subversives Vorgehen werden die Machtverhälnisse verändert, da eine Entwendung und Umdeutung der Strategien von Unternehmen erfolgt (ebd., 2001, S. 31).
Laut Franz Liebl ist die spielerisch-subversive Umdeutung vom strategischen Hacking abzugrenzen, da hierbei mehr die Guerilla-Techniken denn das strategische Handeln notwendig ist (Liebl et al., 2005, S. 31). Das Hacking und die Umdeutungen des Prosumenten sind demnach in Form von taktischem Klamauk oder Spielerei sowie strategischer Zweckentfremdung als Methoden der Macht- und Identitätsgewinnung zu beobachten.
2.5 Auswertung der Prosumenten-Typologie für diese Arbeit
Zusammenfassend lassen sich folgende Schlussfolgerungen zum Phänomen der Prosumtion und des Prosumenten in Bezug auf diese Arbeit treffen: Die verschiedenen Typen basieren alle auf der Vermischung der beiden Akteure, die sich im Markt gegenüber stehen: der Produzent und der Konsument. Letzterer hat jedoch eine Evolution erfahren, welche darin besteht, einige Eigenschaften des Produzenten anzunehmen und weiterzuentwickeln. Der Konsument handelt nicht mehr nur passiv und reaktiv, sondern hat ein Eigenleben und eine Selbstständigkeit im Umgang mit Produkten und Dienstleistungen entwickelt. Diese geht über eine vom Produzenten intendierte Nutzung und den reinen Konsum von Erzeugnissen und Leistungen hinaus.
Wie oben gezeigt, lassen sich Prosumenten-Typen jedoch aufgrund unterschiedlicher Auffassungen und geschichtlicher Entwicklungen ausdifferenzieren (vgl. Abb. 1). Hierbei ist zu beachten, dass der Typus Mit-Produzent und Mit-Entwickler von den Unternehmen generell erwünscht und intendiert ist. Prosumtion wird hier als Teil des Markts und der Wertschöpfung angesehen. Dabei erfolgt eine Zusammenarbeit, welche dem Unternehmen einen Nutzen verschafft, indem Teile der Produktion an den Prosumenten ausgelagert werden oder Erkenntnisse über gewünschte Dienstleistungen oder Produktinnovationen gewonnen werden. Auch der Prosument hat durch diese Form der Kooperation oftmals einen Vorteil. So können beispielsweise Abläufe durch Selbstbedienung oder Online-Abwicklung beschleunigt werden o- der Wünschen und Bedürfnissen durch Partizipation an der Produktentwicklung entgegen gekommen werden. In beachtlichem Ausmaß hat dieses Phänomen z. B. im Bereich der Trendsportart Kite-Surfing stattgefunden: So wurden Hobby-Bastler zu Produktentwicklern (Reichwald & Piller, 2009, S. 45 f.).
Diese beiden Arten von Prosumtion zeichnen sich im Vergleich zu den anderen dadurch aus, dass sie einen Teil des Marktes und der Wertschöpfung darstellen und somit zur Gestaltung der Austauschbeziehungen von Unternehmen beitragen. Die Prosumtion liegt also hier trotz beiderseitigen Vorteilen primär auf der Seite der Unternehmen und des Marketing (Panzer, 2010, S. 134 f.).
Die Typen Selbst-Produzent bzw. Hacker und Zweckentfremder agieren demgegenüber jedoch meistens losgelöst von unternehmerischen Intentionen (vgl. Abb. 1). Ihnen geht es primär um ihre persönlichen Vorteile und die Selbstbestimmung. Oftmals besteht das Motiv der Prosumtion sogar aus einer Umgangsweise bzw. einem Verhalten, das sich den Absichten der Unternehmen widersetzt. Sie stellt eine Möglichkeit dar, der Entfremdung in der modernen Gesellschaft durch gezielte Gegenmaßnahmen proaktiv zu begegnen (Hellmann, 2010b, S. 222). Bei diesen beiden Prosumtions-Typen geht es um die Weiterentwicklung von Kultur und Lebensstil sowie um die wachsende Bedeutung von und den Drang nach Selbstverwirklichung und Individualität (Liebl et al., 2005, S. 31).
In dieser Arbeit soll insbesondere der Umgang mit Restriktionen in Bezug auf die Prosumenten-Typen gelegt werden, welche unabhängig und subversiv agieren: die Selbermacher, DIYer, Hacker, Zweckentfremder und Bricoleure. Das Verständnis von Restriktionen in diesem Zusammenhang wird im Folgenden dargelegt.
Abbildung 1: Die Prosumenten-Typen im Überblick (Quelle: eigene Darstellung)
3. Dimension und Definition des Begriffs Restriktion
Die vorliegende Arbeit behandelt den Umgang des Prosumenten, welcher zuvor definiert wurde, mit restringierter Kommunikation. Wie der Begriff Restriktion in diesem Zusammenhang zu verstehen ist und welche Auswirkungen er auf die beiden Akteure Produzent und insbesondere den Prosument hat, soll in diesem Kapitel dargelegt werden. Die Formen und Folgen der Restriktion in Bezug auf die Kommunikation an den Prosumenten dienen als Grundlage für das Fallbeispiel im vierten Kapitel.
Der aus dem Lateinischen stammende Begriff Restriktion wird in der deutschen Sprache allgemein für Einschränkung bzw. Beschränkung gebraucht (Uni Leipzig, 2013, o. S.). In der vorliegenden Arbeit bezieht sich dieser Begriff auf Kommunikationsweisen mit dem Prosument bzw. die Wirkung von restringierter Kommunikation auf eben diesen.
Der Begriff der Restriktion ist vielschichtig und wird in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen auf verschiedenste Art verwendet. Diese Arbeit bezieht sich jedoch auf Einschränkungen in Bezug auf Produkt- und Werbekommunikation. Dies erfolgt aus zweierlei Sichtweisen: aus dem Blickwinkel des Produzenten, dessen Kommunikation restringiert wird (Kommunikationsrestriktion) und aus Sicht des Prosumenten, auf den eine restringierende Kommunikation einwirkt (Restriktionskommunikation).
3.1 Kommunikationsrestriktion
Kommunikationsrestriktion bezeichnet Verbote oder Einschränkungen in der Kommunikation bzw. der Werbung durch Gesetze. Diese sind z. B. das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie Gesetze bezogen auf Arznei- und Heilmittel, auf das Jugendschutzrecht oder auch zum Schutz der Gesundheit.
Diese Beschränkungen gelten für verschiedene Ebenen der Werbung. Sie sprechen beispielsweise Verbote bezüglich der Kommunikation von Heilungsgarantien aus. So sind auf Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten bestimmte Wirkversprechen verboten. Des Weiteren ist irreführende Werbung und Produktplatzierung in bestimmten Medien und Formaten verboten. Hinzu kommen diverse Vorschriften, etwa zu erlaubten Mitteln und Formen von Außenwerbung, und zahlreiche Einschränkungen, wie z. B. die Eingrenzung erlaubter Werbeträger (Meckel & Esch, 2013, o. S.). Im Folgenden werden zur Veranschaulichung einige Beispiele zu Werbeverboten und -einschränkungen genannt.
Das Werberecht für Ärzte unterliegt starken Reglementierungen. Zwar ist es Ärzten mittlerweile nach jahrelangem Werbeverbot erlaubt zu werben aber diese Form der Kommunikation unterliegt noch immer strengen Reglementierungen. Im Vergleich zu den Werbemöglichkeiten von Unternehmen, die auf dem freien Markt agieren, ist Ärzten eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung untersagt (Bahner, 2004, S. 53). Insgesamt dürfen selbstständige Mediziner lediglich mit berufsbezogenen Informationen werben und diese müssen auch die beworbenen Tätigkeiten in einer gewissen Regelmäßigkeit und Routine ausführen (Bahner, 2004, S. 53 f.). Trotz Lockerung des ärztlichen Werberechts bestehen hier also weiterhin restriktive Vorgaben.
Ein weiteres Beispiel für eine Kommunikationsrestriktion ist die Health Claims- Verordnung (HCVO), welche vom Europäischen Parlament Ende des Jahres 2006 eingeführt wurde. Diese regelt die Kennzeichnung und Bewerbung von Nährwertangaben und gesundheitsbezogenen Aussagen. Zuvor war jedes Unternehmen eigenverantwortlich befugt, Angaben über den Nutzen und den Effekt des jeweiligen Lebensmittels zu machen, sofern sie nicht gesetzeswidrig oder irreführend waren.
“Dieses sogenannte Erlaubnisprinzip mit Verbotsbehalt hat sich seit dem Inkrafttreten der Verordnung am in ein gegensätzliches Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt umgekehrt” (Jakobs, 2012, S. 1).
Seit diesem Paradigmenwechsel ist den Produzenten nun ausschließlich erlaubt, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassenen Angaben zu verwenden. So ist es beispielsweise nicht mehr erlaubt, die Aussage Käse ist gut für Ihre Gesundheit zu verwenden, sondern spezifischer zu formulieren, z. B. in Form des Satzes Kalzium trägt zum Knochenaufbau und Muskelfunktion bei (Jakobs, 2012, S. 20).
Die Werbung für Alkohol unterliegt aktuell keinem expliziten Verbot. Jedoch gibt es auch hier zahlreichen Einschränkungen. Die Ausweitung der Restriktionen zur Bewerbung von Alkohol bzw. ein Werbeverbot stehen jedoch seit mehreren Jahren zur Diskussion. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) bemängelt in ihrer Publikation zum Thema Alkohol und Werbung, dass dieser Bereich aktuell noch mangelhaft restringiert wird und dass eine unzureichende Regulierung der Alkoholwerbung durch das Jugendschutzgesetz besteht. Hierin wird gesetzlich festgelegt, dass bei öffentlichen Filmveranstaltungen vor Uhr keine Alkoholwerbung gezeigt werden und keine Darstellung von Kindern und Jugendlichen beim Konsum von Alkohol erfolgen darf (DHS, 2010, S. 6 f.). Außerhalb dieser gesetzlichen Regelungen bestehen Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke, welche sich auf die inhaltliche Ebene der Werbung beziehen und vom Deutschen Werberat überwacht werden (DHS, 2010, S. 8).
3.2 Folgen der Kommunikationsrestriktion
Diese drei Beispiele zeigen, dass es zahlreiche verbraucherpolitische Initiativen gibt, welche den Produzenten verschiedene Kommunikationsrestriktionen vorschreiben. Die Intention ist, den Konsumenten zu einem vernünftigem Konsumverhalten zu bewegen und ihn vor Gefahren zu schützen.
Diese Form von Verbraucherschutz seitens der Politik verschafft den Herstellern und Werbern kaum Möglichkeiten diese Restriktionen zu umgehen, da sie sich vor dem deutschen Gesetz, beispielsweise dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), strafbar machen. Dessen Instruktionspflicht schreibt den Herstellern vor, dass Produkte, deren Gebrauch laut Gefahrenanalyse einer besonderen Sicherheitswahrung bedürfen, mit einer entsprechenden Gebrauchsanweisung und oder Warnhinweisen ausgestattet sein müssen (Eisenberg et al., 2008, S. 110). Produkte dürfen laut diesem Gesetz nur mit Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Konsumenten in Verkehr gebracht werden. Dazu zählt auch, dass die Produzenten Warnhinweise, Kennzeichnungen, Angaben, Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen anbringen oder mitliefern müssen, so dass mögliche Gefahren ausgeschlossen werden können (ebd., S. 106).
Nach Ansicht von Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands Deutscher Industrie (BDI), benachteiligt die Bevormundung qua Gesetz die Produzenten stark und hemmt den Wettbewerb (Malik, 2013, o. S.):
“Werbe-, Verkaufs- und Produktbeschränkungen bedeuten doch einen massiven Eingriff in grundrechtlich geschützte Marken- und Eigentumsrechte der betroffenen Unternehmen. Regulierung durch die Einführung von Einheitsverpackungen, überdimensionierten Warnhinweisen oder Werbeverboten stellt einen eklatanten Eingriff in funktionierenden Wettbewerb dar” (ebd.).
Demnach solle auch jeder einzelne Konsument das Recht und die Freiheit haben, für sich selbst und frei zu entscheiden, welche Produkte er kauft und konsumiert. Es wird angemerkt, dass der Staat sich eine Bevormundung herausnimmt, was für den Verbraucher gut ist und was nicht (ebd.).
Dabei spricht die deutsche Bundesregierung selbst im aktuellen Koalitionsvertrag von einem gut informierte[n] und zu selbstbestimmtem Handeln befähigte[n] und mündige[n] Verbraucher (Bundesregierung, 2009, S. 44). Demzufolge sollte die Regierung mit diesem Verbraucherbild die Konsumenten nicht bevormunden, sondern mit Verbraucherbildung unterstützen. Doch stattdessen handelt sie mit Einschränkungen gegenüber der Produzenten und mit harter Rechtsdurchsetzung (Malik, 2013, o. S.).
Für Unternehmen und die Wirtschaft allgemein kann dies einen erheblichen Nachteil bedeuten: Einerseits besteht die Befürchtung, dass diese Einschränkungen auch auf andere Branchen und Industriezweige, wie z. B. Süßwaren, übertragen werden. Andererseits betreffen die Restriktionen die Rechte beider Akteure: Konsumenten und Produzenten. Fühlt sich der Konsument durch die Kommunikation der Hersteller und Dienstleister bevormundet, kann Unzufriedenheit entstehen. Diese wirkt sich negativ auf das Kaufverhalten aus, was über die Existenz und Fortentwicklung von Produkten entscheidet (ebd., o. S.).
Als These auf der Ebene der Kommunikationsrestriktion kann somit herausgestellt werden, dass die Produzenten keine oder nur sehr geringe Möglichkeiten haben, die Restriktionen durch die Politik zu umgehen und insbesondere den modernen Prosumenten mit der eingeschränkten Kommunikation erfolgreich anzusprechen.
3.3 Restriktionskommunikation
In diesem Abschnitt wird betrachtet, welche Be- oder Einschränkungen an den Prosumenten durch den Produzenten kommuniziert werden. Der Begriff Restriktionskommunikation umfasst im Verständnis der vorliegenden Arbeit die Hinweise und Verbote bezogen auf den Kauf und Gebrauch von Produkten und Dienstleistungen welche seitens der Unternehmen an die Konsumenten herangetragen werden.
“Der Verwendungszweck eines Produktes kann [ ] durch Hinweise des Herstellers (Gebrauchsanweisung, Beipackzettel, Warnungen) bestimmt werden. So können Hinweise des Herstellers die bestehende Eignung der Ware für einen bestimmten Verwendungszweck [ ] einschränken.” (Lettl, 2002, S. 46)
Wichtig ist, dass sich die Hinweise ausreichend von der Produktgestaltung, Werbung oder anderen Serviceangeboten abheben. Des Weiteren müssen sie ausreichend sichtbar sein besonders Texte, die auf besondere Gefahren hinweisen. Diese werden daher häufig mit plakativen und prägnanten Überschriften versehen oder farblich und gestalterisch, z. B. mittels Textrahmung, hervorgehoben (ebd., S. 49).
Dadurch kann ein Zwang und eine Ordnung von einer ökonomischen oder politischen Macht auf die Produkte bzw. deren Nutzung oktroyiert werden. Neben notwendigen Warnhinweisen für Wahrung von Sicherheit und Gesundheit, wie z. B. auf Gefahrgut- oder petrochemischen Stoffen, können aber auch Empfehlungen oder Gebote durch die Produzenten erteilt werden, welche vorschreiben, wie die intendierte Anwendungsweise der Nutzer aussehen soll. Mit dieser Form der Kommunikation wird Macht auf den Konsumenten und seine Gebrauchsweisen ausgeübt (de Certeau, 1980, S. 13 ff.). Die Hersteller verschaffen sich durch Warnhinweise und Gebrauchsanweisungen einen Schutz vor einer Haftung für den falschen Gebrauch durch den Nutzer. Sie geben die Verantwortung für die Nutzung an die Konsumenten ab bzw. erzeugen somit ein Mitverschulden durch den Verbraucher (Häberle, 2002, S. 210).
Da diese Machtausübung in verschiedenen Formen auftreten kann, lässt sich hier eine Unterscheidung zwischen einer impliziten und expliziten Restriktionskommunikation treffen.
3.3.1 Explizite Restriktionskommunikation
Unter der expliziten Restriktionskommunikation versteht diese Arbeit in der Werbung oder auf den Produkten direkt kommunizierte Verbote, Warn- oder Nutzungshinweise welche auf Gefahren und unerwünschte Folgen aufgrund unsachgemäßen oder übermäßigen Konsums und Gebrauchs der Ware hinweisen (vgl. Abb. 2 5). Typische Hinweise sind u. a. Nicht mit Alkohol mischen, welcher auf allen Energy- Drinks vorgeschrieben ist, oder kann bei übermäßigen Verzehr abführend wirken auffindbar auf sämtlichen Bonbon-, Drops- und Kaugummiverpackungen (Coduro, 1988, S. 43). Aber auch Gebrauchsanweisungen und Beipackzettel zählen zu dieser Kategorie. Diese sind oft bei Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln, Hygieneartikeln sowie Koch- und Backmischungen vorzufinden.
Abbildungen 2-5: Beispiele für explizite Restriktionskommunikation auf Produkten (Quellen: oben links: http://www.allmystery.de/themen/uh94490 oben links: http://img686.imageshack.us/img686/2261/flasche.jpg unten links: http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/TT-Dateien/test/WebHelp/Wirkstoffe.htm unten rechts: http://www.derglaser.de/kann-abfuhrend-wirken/alle Zugriff am 19.06.2013)
3.3.2 Implizite Restriktionskommunikation
Implizite Restriktionskommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine unmittelbaren Verbote oder Warnungen ausspricht, sondern Anweisungen und Empfehlungen zur sachgemäßen Nutzung formuliert ohne ein direktes Verbot auszusprechen (vgl. Abb. 6 8). Beispiele hierfür sind Aufbau- und Bedienungsanleitungen, welche häufig Möbeln, Bausätzen und Spielen beigelegt sind. Auch hier geht es wie bei der expliziten Restriktionskommunikation um die Absicherung, dass der Konsument das Produkt laut dem vorgesehenen Gebrauch nutzt jedoch wird dies indirekt formuliert bzw. dargestellt (Pepels, 2002, S. 1).
Abbildung 6 7: Implizite Restriktionskommunikation (Bedienungs- und Aufbauanleitung) (Quellen: oben: http://www.linguistik.hu-berlin.de/kooperationen/ddr-corpus/texte/texte/gebrauchsanwgeschirr72a.htm Mitte: http://www.ikea.com/de/de/catalog/products/90197403/ alle Zugriff am 19.06.2013)
Abbildung 8; Implizite Restriktionskommunikation (Spielanleitung) (Quelle: eigene Darstellung)
Explizite und implizite Restriktionskommunikation treten zum Teil auch in kombinierter Form auf. So kann auf dem Produkt oder einem Beipackzettel ein expliziter Warnhinweis aufgedruckt und auf einem weitern Beileget eine implizite Anleitung formuliert sein. Am Beispiel der Beilagen von Babygel-Käse erkennt man das explizite Verbotsschild für die Altersbegrenzung der Nutzung und eine implizite Gebrauchsanleitung wie das beiliegende Spielzeug zu gebrauchen ist (vgl. Abb. 9-10).
Abbildungen 9-10: Beispiele für explizite und implizite Restriktionskommunikation (Quelle: eigene Foto’s)
3.4 Prosumtion von Restriktionskommunikation
Das Phänomen der restringierten Kommunikation von Produzent zu Verbraucher ist bisher kaum wissenschaftlich ergründet. Vielmehr werden Bedienungsanleitungen, Beipackzettel usw. als selbstverständlich angesehen und deren Nutzung sowie die Reaktionen darauf kaum weiter hinterfragt. Häufig geht es den Produzenten lediglich um die Sicherung der Garantieansprüche und Vermeidung von Gefahren also das Umgehen von Problemen und Aufwand durch unsachgemäßen Gebrauch durch die Konsumenten. Dabei wird der Konsument oftmals mit auffordernd formuliertem Imperativ angesprochen (Ramme, 2002, S. 18).
Doch diese Art der Kommunikation von Gefahrenvermeidung und Beratung kann dem modernen Prosumenten als störende Bevormundung erscheinen (Friebe & Ramge, 2008, S. 87). Deshalb neigt der Prosument dazu, mit der Restriktionskommunikation auf seine eigene Art umzugehen, sich selbst Raum zu verschaffen und seiner Kreativität zur Umnutzung freien Lauf zu lassen (de Certeau, 1980, S. 78 ff.).
Wie bereits in Kapitel 2 aufgeführt, liegen die Motive der Prosumtion im Streben nach selbstständigem Handeln ohne bevormundende Hinweise durch andere (Woermann, 2010, S. 170 f.). Hinzu kommt der Wunsch nach Sinnstiftung, sowie der Drang nach Individualität und Auslebung von Kreativität (Friebe & Ramge, 2008, S. 195). Es wird deutlich, dass nach der vorangehenden Typologie des Prosumenten, gerade die Typen Selbst-Produzent und Zweckentfremder auf diese Restriktionskommunikation mit Prosumtion reagieren, da sie selbstständig und losgelöst von Unternehmen vollzogen wird. Neben dem Aspekt der Selbstständigkeit wird auch die Identitätsbildung durch den kreativen Umgang mit Restriktionen gefördert: denn erfinderisches und originelles Basteln schafft Identität. Durch Improvisieren, Erfinden und der Schöpfung aus verschiedenen Symbolen und Zeichen erschafft sich der Prosument selbst (Liebl, 2005, S. 211; Engelmann, 1999, S. 14).
Als Beispiele für eine Prosumtion auf der Ebene von expliziten Restriktionen sind häufig Hacks von Warn- und Hinweisschildern zu entdecken (vgl. Abb ). Wie in Kapitel 2.4 bereits dargelegt, handelt es sich bei der Prosumtion des Hackers und Zweckentfremders um Techniken der Kommunikationsguerilla, bei der es um eine abweichende, dissidente Verwendung und Interpretation von Zeichen [geht] (autonome a.f.r.i.k.a. gruppe et al., 2001, S. 9). Gewohntes wird aufgebrochen, verändert und somit neue Lesarten von etwas Bekanntem geschaffen (ebd. S. 46). Bei diesen Verfremdungs- und Umdeutungspraktiken handelt es sich um Taktiken der Prosumenten, um sich der strategischen Machtausübung durch die Produzenten zu widersetzen und dies oftmals auf spielerisch-subversiver Art, ohne dabei eine gesellschaftliche Änderung oder Revolution hervorbringen zu wollen (ebd. S. 31, 53).
Abbildungen 11-14: Hacks von Warn- und Hinweisschildern im urbanen Raum (Quellen: oben links: http://www.lachschon.de/item/112454-Kuchenverboten/ oben rechts: http://www.lachschon.de/item/135849-Dieszulesenistverboten unten links: http://fudder.de/artikel/2012/01/24/wo-ein-wille-ist-ist-auch-ein-plakat/ unten rechts: http://www.kaputtmutterfischwerk.de alle Zugriff am 19.06.2013)
Auf der Ebene der impliziten Restriktionen sind neben taktischen Guerillapraktiken, ähnlich wie bei der expliziten Restriktion, auch Handlungsweisen des Selbst- Produzenten und Do-it-yourself-Praktikers zu entdecken (vgl. Abb ). Diese Form der Prosumtion ist jedoch nicht mehr nur spielerisch und als Taktik anzusehen, sondern beinhaltet, weil es denn konsequent und professionell angewendet [wird, eine] strategische Dimension (Liebl et al., 2005, S. 30). Ein Beispiel dafür stellt der Blog dar. Hier tauschen sich die Mitglieder dieser Community über neue Formen des Möbelbau aus, der nicht von IKEA selbst intendiert ist. Die Produkte werden anders zusammengebaut, als es die Anleitung vorsieht, neue Produkte und viele Anleitungen zum Nachmachen werden hier geteilt (vgl. Abb. 17). Das Strategische ist somit nicht mehr nur im professionellen Bereich also auf der Seite von Unternehmen, Produzenten und Institutionen zu finden, sondern auch auf der Seite der Nutzer und Amateure (Liebl et al., 2005, S. 20).
Abbildungen 15-16: Prosumtion mit Restriktionen in Form von Gebrauchs- und Aufbauanleitungen (Quellen: links: http://thedoghousediaries.com/4968 rechts: http://peppi04.soup.io/since/19036844?mode=friends alle Zugriff am 19.06.2013)
Abbildung 17: Hack eines IKEA-Hochbetts (Quelle: http://www.ikeahackers.net/search?updated-max=2013-06-19T14:56:00-04:00&max-results=15, Zugriff am 27.06.201)
Es lässt sich demnach die These formulieren, dass der Prosument Taktiken und Strategien entwickelt hat, mit der Restriktionskommunikation umzugehen. Er lässt sich von ihnen nicht beeinflussen und umgeht diese Art der Bevormundung durch Selbstproduktion, Hacking und Basteleien, indem er sich der Techniken der Kommunikationsguerilla bedient.
4. Fallbeispiel: Warnhinweise auf Zigarettenschachteln
In diesem Teil der Arbeit sollen die beiden Thesen aus dem 3. Kapitel am konkreten Beispiel der Warnhinweise als Restriktion der Kommunikation in der Tabakindustrie untersucht werden. Hierzu wird ausführlich betrachtet, in welcher Form die Restriktion erfolgt und wie Prosumenten und Produzenten mit ihr umgehen.
4.1 Aktuelle Gesetzeslage und Form der Warnhinweise
Um die Prosumtion mit Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln darlegen zu können, erfolgt zunächst kurzer Überblick zur aktuellen Situation. Diese Arbeit bezieht sich auf die aktuellen Warnhinweise von Zigarettenschachteln auf dem deutschen Markt. Neue Regulierungen und Diskussionen zur Einführung der bildgestützten Warnhinweise oder Formen internationaler Produktverpackungen können durch den eingeschränkten Umfang der Arbeit an dieser Stelle nicht betrachtet werden.
Die deutsche Bundesregierung, die Europäische Union (EU) sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickeln seit vielen Jahren verschiedene Programme und Maßnahmen, um den Konsum von Tabak in Deutschland und den weiteren Mitgliedsstaaten kontrollieren und einschränken zu können sowie präventiv den daraus folgenden Erkrankungen entgegenzuwirken (Schaller & Pötschke-Langer, 2012). Dabei stellen die Warnhinweise auf Tabak- und Zigarettenverpackungen eine von vielen verschiedenen Maßnahmen dar, um den Tabakkonsum zu verringern. Weitere Instrumente sind bspw. Steuererhöhungen auf Tabakprodukte, Werbeverbote und Präventionskampagnen (ebd., S. 197).
“Seit 2002 sind aufgrund der Richtlinie 2001/37/EG der Europäischen Union (EU) [21] von der EU herausgegebene Warnhinweise auf Zigarettenverpackungen verpflichtend; die Mitgliedsstaaten dürfen neben diesen rein textlichen Warnhinweisen auch bildliche Warnhinweise aus einer von der EU zur Verfügung gestellten Bibliothek verwenden. Deutschland macht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch” (ebd. S. 199).
Durch diese Verordnung wird die optische Aufmachung der Zigarettenschachteln beeinflusst und Art sowie Inhalt der Kommunikation durch die Verpackung restringiert. Die Hinweise sollen eine Aufklärungsfunktion erfüllen und Kaufentscheidungen beeinflussen. Sie fungieren als Informationsträger, der jeden Raucher unmittelbar und direkt erreicht (Pötschke-Langer & Schulze, 2005, S. 464).
Je Zigarettenverpackung sind insgesamt zwei Warnhinweise in deutscher Sprache aufzubringen. Dabei muss der Hinweis auf der Vorderseite 30 Prozent der Fläche bedecken und auf der Rückseite 40 Prozent. Für den vorderen Hinweis ist von insgesamt drei Motiven eines abzudrucken und auf der Rückseite ein Motiv aus 14 verschiedenen Varianten (ebd., S 465) (vgl. Abb ). Dabei soll jedes Motiv vom Hersteller gleich häufig verwendet werden. Die Texte auf der Vorderseite sollen vermitteln, wie gefährlich die Zigaretten und das Rauchen im Allgemeinen sind. Die Hinweise der Rückseite stellen Furchtappelle dar. Sie sollen die Raucherschaft an individuellen oder geschlechtspezifischen Schwachstellen und Ängsten packen (Fritz, 2004, o. S.).
Abbildung 18: Warnhinweise auf deutschen Zigarettenverpackungen (Vorderseiten) (Quelle: http://www.nichtraucherbund.de/Skripte/Info30.pdf Zugriff am 19.06.2013)
Alle vorgeschriebenen Hinweise gleichen sich optisch: Ein rechteckiges Feld am unteren Rand der Schachtel, je nach Textlänge unterschiedlich hoch, wird von einer drei bis maximal vier Millimeter starken Kontur eingerahmt. Die Kontur sowie der Text, der in der Standard-Schriftart Helvetica Bold abgedruckt wird, stehen in der Farbe Schwarz auf weißem Hintergrund (ebd.).
Abbildung 19: Warnhinweise auf deutschen Zigarettenverpackungen (Rückseiten) (Quelle: http://www.nichtraucherbund.de/Skripte/Info30.pdf Zugriff am 19.06.2013)
In Bezug auf die Warnhinweise auf den Verpackungen lässt sich eine Restriktion auf den zwei zuvor genannten Ebenen erkennen: Auf Seite der Prosumenten erfolgt eine Einschränkung der eigenen Konsumfreiheit. Die Warnhinweise vermitteln den Wunsch der Verhaltensänderung des Konsumenten. Sie sollen ihn bevormunden, indem sie durch explizite Hinweise (vgl. Kapitel 3.3.1) kommunizieren, dass Rauchen krank macht und appellieren dazu aufzuhören.
Auf der Seite der Produzenten stellen die Warnhinweise eine Einschränkung der Kommunikation durch das Produktdesign dar. Die vorgeschriebene Platzierung und Optik der Hinweise schränkt das Produktdesign ein und nimmt den Herstellern einen großen Teil der Werbe- und Kommunikationsfläche.
Es besteht also auf der einen Seite ein restriktiver Furchtappell und auf der anderen Seite ein eingeschränktes Kommunikat.
Wie die beiden Akteure mit dieser Form der Restriktion umgehen, soll in den nächsten Abschnitten veranschaulicht und mit einigen Beispielen untermauert werden. Alle Formen und Ausführungen können in dieser Arbeit jedoch keine Berücksichtigung finden. (6)
4.2 Der Prosument im Umgang mit den Warnhinweisen
Einer Studie der Wissenschaftler des deutschen Krebsforschungszentrums, Pötschke-Langer und Schulze zufolge, werden Warnhinweise auf Zigarettenschachteln vom größten Teil der Bevölkerung akzeptiert. Jedoch müssen sie auffällig, leicht verständlich sowie glaubwürdig und informativ sein, um eine Wirkung erzielen zu können. Demnach hängt der Erfolg und Nutzen von der Größe, Gestaltung und dem textlichen Inhalt der Hinweise ab (Pötschke-Langer & Schulze, 2005, S. 464 f.).
In welchem Umfang die Maßnahmen unter den verschiedenen Instrumenten der Tabakkontrolle auf den Konsumenten und speziell auf den Prosumenten haben, soll ebenso im Folgenden Klärung finden, wie das Verhalten und die Praktiken der Prosumenten als Reaktion auf die Restriktion. Zunächst werden konkrete Umgangsformen des Prosumenten vorgestellt und im Anschluss mögliche Erklärungen und Motive dafür aufgeführt.
Der Umgang mit Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln veranschaulicht nicht nur eine konkrete Prosumtionspraktik, sondern lässt eine Variation an Prosumtionsformen erkennen. Verschiedene Typen kreieren eine Reihe unterschiedlicher Prosumtionsergebnisse, die von materiellen über mediale bis hin zu digitalen Ergebnissen führt. Die Prosumtion findet somit auf tangibler und intangibler Ebene statt und je nach Prosumententyp mit unterschiedlicher Intention und verschiedenen Methoden und Techniken.
Diese Arbeit möchte diese Ergebnisse zusammenfassen, wobei ein vollständiger Überblick aufgrund des eingeschränkten Umfangs an dieser Stelle nicht möglich ist. Daher wird eine möglichst repräsentative und beispielhafte Auswahl verschiedenster Praktiken und Ergebnisse dargelegt.
4.2.1 Tangible Umgangsformen
Eine Ausprägung des Umgangs mit Warnhinweisen ist das Prinzip der Selbst- Produktion. Der Prosument als Selbst-Produzent erzeugt in Do-it-yourself-Manier selbstgemachte Produkte oder baut Bestehendes nach seinen Vorstellungen um. Gerade in Deutschland erfreut sich diese Bewegung großer Beliebtheit und der Trend von Massenprodukten zum Selbstgemachten nimmt immer mehr zu (Hagemeister, 2009, S. 175). Dieses Selbermach-Prinzip als typische Prosumtions- Kategorie, spiegelt sich u. a. wieder im Selbermachen von Zigarettenschachteln und taschen wieder (vgl. Abb. 20).
In zahlreichen Online-Portalen, wie beispielsweise oder werden Eigenkreationen der Community präsentiert und Anleitungen zum Nachmachen veröffentlicht (vgl. Abb. 21) [34 36, 38 39].
Abbildung 20: Selbstgebastelte Zigarettenschachtel (rechts) und Tasche als Umverpackung (links) (Quellen: links: http://www.dawanda.com Zugriff am 21.06.2013; rechts: http://www.behälterfälschung.de alle Zugriff am 24.06.201)
Abbildung 21: Bastelanleitung für Zigarettenschachtel im Swing-Style (Quelle: http://www.return2style.de/swingstyle/rauchen/zigaret.htm Zugriff am 26.06.2013)
Diese Form der produzierenden Tätigkeit ist nichtkommerziell ausgerichtet und stellt daher eine production for use dar (Hanekop & Wittke, 2010, S. 100). Durch die Möglichkeiten des Internets wandert die physische Ebene der Eigenarbeit in die digitale, intangible Welt einer massenhaften Kooperation. Austausch, Diskussion und Optimierung von Produkten und Selbstgebasteltem erzeugen gemeinsames Wissen und Ansporn zu immer wieder neuen Prosumtionen (ebd., S. 101 ff.).
Abbildung 22: Selbstgemachte Taschen und Umverpackungen für Zigarettenschachteln (Quelle: http://www.dawanda.de alle Zugriff am 21.06.201)
Doch die Grenzen zwischen Do-it-yourself Produktion als production for use und Produktion für den Markt als production for exchange sind fließend. So ist eine Produktion für den Markt, so wie es Toffler beschrieben hat (Toffler, 1980), nicht mehr nur den professionellen Produzenten vorbehalten, sondern auch der Prosument ist mittlerweile in der Lage, Selbstgemachtes nach den Vorstellungen und Bedürfnissen der Konsumenten zu produzieren (ebd., S. 100). Neuere Communities und E- Commerce-Plattformen wie beispielsweise oder bieten Privatleuten die Möglichkeit, Selbstgemachtes zu zeigen und auch zu verkaufen (vgl. Abb. 22) [37].
So kann nicht nur dem Wunsch des Prosumenten nach Automonie, selbstständiger Planung und Ausführung von Produktion entsprochen werden (Hagemeister, 2009, S. 177), sondern gleichzeitig auch eine Gegenmacht zu professionellen Produzenten geschaffen werden. So werden Prosumenten dazu befähigt, auf die andere Seite der Ladentheke zu springen (Friebe & Ramge, 2008, S. 88).
Dies verdeutlicht, dass die Selbst-Produktion als Form der Prosumtion nicht zwingend rein taktisch ist, sondern bereits eine strategische Maßnahme gegen die Macht der Institutionen und Wirtschaft darstellt. Nicht nur im professionellen Bereich ist strategisches Handeln zu beobachten sondern auch beim Konsumenten als Amateur und Bricoleur (Liebl et al., 2005, S. 20). Mittels ausgetüftelter Strategien versucht der Prosument sich der Macht der Produzenten zu widersetzen und schafft mit seinen begrenzten Mitteln dennoch kreative und hochwertige Alternativen (ebd., S. 22), die es somit bis hin in die Online-Verkaufsportale schaffen können oder sogar eben diese erst entstehen lassen [37].
Weitere Beispiele für tangible Umgangsformen mit den Warnhinweisen ist die Selbst- Produktion von eigenen Varianten in Form von Schildern und Aufklebern, welche auf die Zigarettenschachteln angebracht werden können (vgl. Abb. 23) [40 48]. Diese sollen dem Zweck der Schachtelverschönerung (Fudeus, 2003, o. S.) dienen und viel Platz für Kreativität (ebd.) bieten.
Abbildung 23: Ulkige Warnhinweise zum Selbst-Bekleben (Auszug) (Quelle: http://www.designerspiele.de/andereprodukte/NuetzlicheDinge/zigaretten_warnhinweise/ auswahl_zigaretten_warnhinweise.htm, Zugriff am 21.06.2013)
Online-Portale wie http://www.rauchergedicht.de [43] oder http://www.warnhinweis.com [40–42] ermöglichen den Nutzern die Erstellung und Download von Hinweisschildern, welche den Warnhinweisen in ihrer Ästhetik stark ähneln oder sogar nahezu identisch sind. Auch gibt es Programme und Applikationen, wie beispielsweise der Fluppen-Drucker [46] oder Zigarettenschachtel Spruch [47], die den Anwendern mit wenigen Klicks die Eigenproduktion solcher Hinweis-Schilder oder Aufkleber ermöglichen (vgl. Abb. 24). Dazu wird jeweils ein Kontingent von humorvollen oder sinnlosen Texten bereitgestellt. Oftmals ähneln diese den Original-Hinweisen und werden im Wortlaut nur minimal geändert. Beispielsweise können die Nutzer ihre Zigarettenschachteln mit Sprüchen wie Achtung! Rauchen kann Ihre Zigarette verkürzen oder Seit die Warnhinweise größer sind, ist Rauchen wirklich viel gefährlicher verzieren (Fritz, 2004, o. S.).
Die Erstellung und Formulierung neuer Warnhinweise stellt eine einfache und wiederum eher taktische Form der Prosumtion dar. Diese Art der Kreation ist für die Prosumenten einfach umsetzbar, da sie kosten- und zeitsparend Produkte erzeugen können. Die Kreation erfolgt mit verhältnismäßig geringem Aufwand und dienen dennoch der persönlichen Befriedigung (Kotler, 1986, S.55).
Abbildung 24: Screenshot aus dem Programm Fluppen-Drucker (Quelle: http://www.chip.de/news/Fluppen-Drucker-Software-erstellt-eigene-Aufkleber_13704311.htm Zugriff am 24.06.2013)
Ob nun selbstgestaltete Schachteln und Taschen oder eigens getextete Hinweise beide Fälle stellen eine Praxis der Distinktion dar, welche dem Wunsch des Prosumenten nach Identitätsbildung und Abgrenzung zu anderen Gruppen nachkommt (Woermann, 2010, S. 175)
Intangible Umgangsformen
Eine Form der intagiblen Prosumtion von Restriktion stellt die Umformulierung der Warnhinweise auf Blogs und in Foren dar. Zwar lässt sich auch diese zum Bereich der tangiblen Umgangsformen zuordnen (vgl. Kapitel 4.2.1: Schilder und Aufkleber mit neuen Texten), doch ist es eher die handwerklich-produzierende Tätigkeit des Bastelns der Schilder und Aufkleber, welche dem tangiblen Bereich zugeordnet werden muss. In diesem Abschnitt soll die ditigale, konzeptionelle und textliche Umformulierung der intangiblen Ebene betrachtet werden.
Das Umformulieren der Hinweistexte erweist sich in vielen Fällen als eine humorvolle Auseinandersetzung mit den Restriktionen. Dabei wird überwiegend das paradigmatische Werkzeug des Prosumenten verwendet: das Web 2.0. Diese Technologie kann als Medium der intangiblen Prosumtion gesehen werden, da private Nutzer die als Amateure zu sehen sind, die Inhalte ebenso produzieren, publizieren und kommentieren können wie professionelle Gestalter und Produzenten. (Ritzer, 2010, S. 75). Hier wird der Prosumtion ein digitaler Raum verschafft, in dem die Eigenkreationen taktischer und strategischer Art veröffentlicht werden können. Denn der Prosument zeichnet sich nicht nur durch die Weiterentwicklung und Umformung von Produkten aus, sondern auch durch die Performanz mit diesen Prosumtionen, indem er sie sichtbar macht und ausstellt (Woermann, 2010, S. 173 f.) beispielsweise in Web-Foren oder Communities.
Gerade im Internet verbreitet sich eine Spottlust in Form von Umdeutungen der Warnhinweise. Die bereits im vorangehenden Abschnitt vorgestellten Online-Portale zur Erstellung von Klamauk-Hinweisen ermöglichen ebenfalls die Produktion von Hinweisen mit eigenen Texten. Diese können auch auf den Webseiten selbst veröffentlicht werden oder gar auf einer eigens dafür eingerichteten Facebook-Seite (vgl. (vgl. Abb. 25). Das Umformulieren und Selbst- Texten der Hinweise hat sich zu einem unterhaltsamen Freizeitsport entwickelt (Fritz, 2004, o. S.) [1, 5, 6, 40 51].
Abbildung 25: Facebook-Seite von WARNHINWEIS.COM (Quelle: https://www.facebook.com/warnhinweis Zugriff am 20.06.201)
Dabei werden die Warnhinweise auch nicht immer nur für Zigarettenschachteln erstellt, sondern können sich auch für andere Zwecke als nützlich und lustig erweisen (vgl. Abb. 26) [3, 7, 8, 31]. Neben der rein textlichen Umformulierung, sind auch gestalterische Montagen mit anderen Elementen des Produktdesigns zu beobachten [2, 17].
Abbildung 26: Ausschnitt aus der ZDF Heute-Show vom , Folge 112 (Quelle: eigenes Foto)
Im Vergleich zur Intention von Spaß und Klamauk lassen sich auch weitere Formen der intangiblen Prosumtion beobachten: die Adaption der Warnhinweise auf andere Medien und Situationen in Form von Fotomontagen, welche auf Foren, Blogs und Webseiten gepostet werden. Diese haben zwar zum Teil auch eine humoristische Tonalität, sind aber auch oftmals als Protest an die Bevormundung durch die Restriktionen formuliert (Fritz, 2004, o. S.) [26, 33]. Diese gehen sogar teilweise einen noch radikaleren Weg und bedienen sich grenzwertiger Symboliken und Motiven, um einen politischen Protest gegen die Restriktionen und für die Rechte als Verbraucher und Raucher auszuüben (vgl. Abb. 27) [10, 11]. 37
Abbildung 27: Der Warnhinweis als Protest-Botschaft (Quelle: http://www.bild.de/regional/duesseldorf/duesseldorf/hitlerskandal-auf-raucherdemo-30871364.bild.html, Zugriff am 27.06.201)
Adaptionen auf andere Produkte erfolgen auch, um der Kritik an die aktuelle Situation des Verbraucherschutzes Ausdruck zu verleihen. Der Verbraucher kann sich in seiner Souveränität angegriffen fühlen, indem ihm durch die Warnhinweise vorgeschrieben wird, was gesund ist und was nicht. Es lassen sich verschiedene Beispiele aufführen, welche überspitzte Darstellungen von weiteren Produkten zeigen, die nach Meinung des Erstellers ebenfalls mit Warnhinweisen versehen werden sollten, da sie gesundheitsschädigend sein können (vgl. Abb. 28) [15, 24, 25, 27, 29, 30]. Dabei wird häufig mit ironischen Formulierungen und Abbildungen gearbeitet. Gewohnte Darstellungen werden verfremdet und machen auf einen Sachverhalt aufmerksam: Die Strategie der Institution, welche die Warnhinweise oktroyiert, wird angegriffen und subversiv mittels dieser Umdeutungen angegriffen, um auf weitere Themen aufmerksam zu machen. Dazu wird sich der Ästhetik der Hinweise bedient und diese in einen neuen Kontext überführt.
Abbildung 28: Warnhinweise, die auf andere Produkte übertragen wurden (Quelle: http://www.kanntoedlichsein.wordpress.com Zugriff am 21.06.2013)
Eine weitere Ausprägung der intangiblen Prosumtion ist in Blogposts und im Internet veröffentlichten Abbildungen erkennbar, welche sich durch Kritik an die schlechte Umsetzung der Restriktionen auszeichnen. Häufig werden neue Verpackungsdesigns oder Hinweistexte als Verbesserungsvorschlag für die bestehenden Varianten veröffentlicht [4, 16, 18 23]. So gibt es Entwürfe, welche auf den Inhalt der klassischen Hinweise anspielen sowie Vorschläge für eine komplette Neugestaltung der Verpackung. Die Kritik richtet sich dabei an die offiziellen Hinweise, die an das Bewusstsein für Tod und Krankheiten appellieren. Stattdessen sollten sich die Hinweise mit Problemen, Gefahren und negativen Auswirkungen des Rauchens beschäftigen, welche den Konsumenten womöglich stärker tangieren.
Auch im Bereich der Kunst ist eine Prosumtion mit Warnhinweisen zu finden [9, 12 14]. So führt der Künstler Rob Scholte aktuell eine Ausstellung in der Galerie TEAPOT in Köln, welche Emaille-Tafeln zeigt, auf denen Zigarettenschachteln mit neu getexteten Warnhinweisen abgebildet sind. Diese sind ähnlich provokativ und humoristisch wie die Klamauk- und Nonsense-Sprüche, die in diversen Witze-Blogs und -Foren im Internet kursieren.
Die Prosumtion als User-generated Content (7) im Web 2.0 erfolgt überwiegend auf taktischer Ebene, da sie häufig unprofessionell und zum Zweck der Selbsterfüllung und entfaltung erstellt wird. Die Umdeutungen können sich dabei immer wieder neu erfinden, spontan auf neue Restriktionen reagieren oder bereits Umformuliertes weiter verfremden, ohne dabei eine Position vertreten oder Macht erkämpfen zu müssen (Woermann, 2010, S. 171; autonome a.f.r.i.k.a. gruppe et al., 2001, S. 53).
Hierzu wird ein klassisches Prinzip der Kommunikationsguerilla genutzt: Die Verfremdung, welche in bestehendes Material eingreift und dieses verändert. Dazu wird die Ästhetik aus dem Original-Zusammenhang gerissen und in einen neuen Kontext überführt. Das schwarz umrandete Feld dient dem Prosument als Raum für Botschaften, Statements, Witze und Zitate. Die Hinweise werden damit imitiert, verfremdet und oft übertrieben umformuliert. So wird deutlich, dass es sich um Fakes und Parodien handelt, die mittels Umdeutung, Entwendung sowie Collage- und Montage-Techniken umgesetzt werden (autonome a.f.r.i.k.a. gruppe et al., 2001, S. 46 ff.). All diese Formen lassen sich als kreatives Hacking beschreiben, welches sich dadurch auszeichnet, dass es immer um die Gestaltung, Nutzung und Zweckentfremdung von Interfaces geht (Liebl, 2005, S. 181). Der Warnhinweis als Oberfläche wird nachgeahmt oder umfunktioniert und schafft damit eine neue Orientierung oder gewollte Desorientierung (ebd.)
4.2.3 Motive für die Prosumtion
Betrachtet man Studien zum Thema Persuasion durch Furchtappelle, erhält man mögliche Erklärungen für eine Prosumtion mit den Zigarettenverpackungen und Warnhinweisen.
In einem Ländervergleich einer Gruppe von internationalen Tabakkontrollexperten wurde im Jahr 2004 ein Tobacco Control Scale (TCS) entwickelt, welcher die verschiedenen Maßnahmen zur Tabakkontrolle hinsichtlich ihrer Effektivität bewertet. Laut diesem Vergleich liegen die Warnhinweise bezüglich ihrer Wirkung auf dem vorletzten Platz unter allen Maßnahmen und sind insbesondere in Deutschland und Europa unzureichend umgesetzt (Schaller & Pötschke-Langer, 2012, S. 200). Die Wirkung der textgestützten Warnhinweise wurde bereits in vielen Studien untersucht (Pötschke-Langer & Schulze, 2005, S. 468), doch eine genaue Effektivität bzw. Aufhör- und Vermeidungsquote bei Rauchern ist dadurch nicht zu bestätigen. Es können lediglich schwammige Aussagen zur Wirkung der Hinweise getroffen werden, wie beispielsweise:
“In allen Befragungen wird deutlich, dass die Einführung von Warnhinweisen zu einer kontinuierlichen Verbreitung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Rauchen in der Bevölkerung geführt hat und in zweiter Linie auch ein geringerer Konsum und eine erhöhte Ausstiegsrate von Rauchern zu erwarten sind” (Pötschke- Langer & Schulze, 2005, S. 464).
Eine Erklärung dafür kann der Widerspruch sein, der deutlich wird, wenn man die Beschreibung der Bundesregierung über den Verbraucher und im Gegenzug die Restriktionsmaßnahmen betrachtet: Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist von einem gut informierte[n] und zu selbstbestimmtem Handeln befähigte[n] und mündige[n] Verbraucher” (Bundesregierung, 2009, S. 44) die Rede.
Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft appelliert in ihrer Position zum modernen Verbraucherschutz an eine Politik, die dem Kunden eine freie Entscheidung ermöglicht, was er kauft und wie er Produkte für sich bewertet (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., 2012). Sie gehen von folgendem Leitbild aus:
“Eine freiheitliche Verbraucherpolitik beruht auf dem Leitgedanken des souveränen und mündigen Konsumenten. Dieser kann Entscheidungen eigenverantwortlich treffen, wenn er genügend Spielraum zu eigenverantwortlichem Handeln hat. Der mündige Bürger darf Verbraucherpolitik nicht als reine Fürsorgepolitik eines alles regelnden Staates wahrnehmen. Verbraucher unterscheiden sich etwa hinsichtlich ihres Informationsbedürfnisses, ihrer Qualitätsansprüche und ihrer Risikoneigung. Sie müssen daher selbst entscheiden können, was ihnen bestimmte Produkte und deren Qualitäts- und Risikomerkmale wert sind” (ebd. S. 2).
Demnach stehen die Regulierungen für die Tabakindustrie, welche sich u.a. durch Restriktionen in der Werbung und in der Produktgestaltung zeigt und die Maßnahmen des Nichtrauchergesetzes, wie z. B. das öffentliche Rauchverbot oder die Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln, im Widerspruch zum souveränen Verbraucher.
Die Warnhinweise werden vom Prosumenten als Bevormundung und als Eingriff in die Privatsphäre wahrgenommen (Fritz, 2004, o. S.). Dass Rauchen der Gesundheit schadet, ist allgemeines Alltagswissen. Dieses Wissen in Form eines Warnhinweises zu kommunizieren und damit Furchtappelle und Gebote auf gekauften Produkten abzudrucken, wird als überflüssig und damit gar als störend empfunden (Lettl, 2002, S. 49). Wir befinden uns in einer Kultur der Disziplinierung und sind im Alltag mit sämtlichen Normen und Regeln umgeben, die unser Leben steuern: Höflichkeitsregeln, Ess- und Hygienevorschriften u. v. m. Doch Kommunikationsstrategien, welche mit dem erhobenen Zeigefinger arbeiten und Zwänge von außen darstellen, sind heutzutage das falsche Mittel. Es muss eine Ansprache frei von Warnungen und Verboten erfolgen, die dem autonomen und eigenverantwortlichen Verbraucher gerecht wird (Karmasin, 1993, S. 341 ff.).
Hinzu kommt, dass die Warnhinweise als Furchtappelle formuliert werden und den Anschein erwecken, dem Verbraucher Wahlmöglichkeiten zu entziehen. Die damit erzeugte Furcht vor den Gefahren des Rauchens stellen extreme Angstappelle dar, welche jedoch eine geringe Wirkung aufweisen (Karmasin, 1993, S. 78). Des Weiteren kann dieser Entzug von Handlungsmöglichkeiten zu einer Reaktanz seitens des Verbrauchers führen. Dies bedeutet, dass er eine Abneigung oder sogar Aggression gegen diese Restriktion entwickelt (ebd. S. 83).
Das Gefühl der Bevormundung und die Reaktanz können zu einem instinktiv oder beabsichtigt gegenteiligen Verhalten führen. Der Appell an das Unterlassen des Rauchens kann sogar das Gegenteil, also ein Jetzt-erst-Recht -Verhalten, hervorrufen (Fritz, 2004, o. S.). Neben dieser Reaktion auf die Warnhinweise kann der souveräne und nicht erziehungsbedürftige Verbraucher in der Prosumtion eine Möglichkeit des Protests sehen, um sich gesellschaftlichen Zwängen und Gegebenheiten widersetzen zu können. Der Prosument wechselt von der passiven Seite, welche für die Akzeptanz der Restriktion steht, zur aktiven Handlung und dem Produzieren von Gegenmaßnahmen (Hellman, 2010b, S. 222). So werden beispielsweise eigene Hinweise gestaltet oder diese auf andere, teilweise absurde Produkte und Sachverhalte übertragen, um sich zu wehren und dem Frust über die Hinweise Ausdruck zu verleihen (Fudeus, 2003, o. S.).
Die oben aufgeführten Beispiele bestätigen die These, dass der Verbraucher auf verschiedenste Art mit der Restriktionskommunikation umgehen kann bzw. sich ihr sogar widersetzt. Durch Prosumtion ist er in der Lage, seine Selbstverwirklichung, Identitätsentfaltung und Autonomie trotz der Restriktionen zu wahren (Woermann, 2010, S. 171; Liebl, 2005, S. 211). Dabei erfolgt dieser Umgang auf verschiedenen Ebenen, mit unterschiedlichen Methoden und Intentionen. Auf taktischer wie auch auf strategischer Ebene entwickelt er Umgangsformen mit den Furchtappellen und Produktverpackungen. Dies kann wiederum auf tangibler Ebene mittels kreativer Umnutzung und Selbstproduziertem oder auf intangibler Ebene mittels neuer Formen der Online-Kommunikation erfolgen.
Der Prosument verleiht seinem Frust und seinem Protest bzw. seiner eigenen Macht unter Verwendung unterschiedlicher Methoden nach dem Prinzip der Verfremdung Ausdruck. Durch Entwendung und Umdeutung von gegebenem Material die Warnhinweise und das Produktdesign können gefakte und parodierende Eigenkreationen entstehen, die unterschiedlichen Intentionen folgen. Diese können in der Kreation von Nonsense und Witz, Protest und Kritik an der Bevormundung und Gestaltungsmitteln für aufmerksamkeitsstarke Statements aller Art liegen.
4.3 Der Produzent im Umgang mit den Warnhinweisen
Das Deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg bezeichnet die Zigarettenverpackung als eine besondere Kommunikationsform der Produzenten, da sie weit mehr als lediglich eine Hülle für ein Produkt [ist]: Sie unterscheidet ein spezielles Produkt von zahlreichen ähnlichen und ist damit auch ein Werbeträger (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2012, S. 38). Durch die Restriktionen bezogen auf die Bewerbung des Tabakmarkts erhält die Zigarettenschachtel mehr und mehr den Status eines Werbeträgers. Durch das Design und den Wiedererkennungswert der Schachtel verschafft sich die Zigarettenschachtel Aufmerksamkeit und einen Distinktionsgewinn. Raucher tragen dieses Kommunikat ständig mit sich und haben sie in der Regel mehrmals am Tag in der Hand (ebd.).
Dabei ist es aufgrund verschiedener gesetzlicher Einschränkungen bezogen auf Produkt- und Geschmacksbezeichnungen und der Warnhinweise, die wertvolle Gestaltungsfläche einnehmen, zunehmend schwieriger, sich ausreichend zu differenzieren (Meyer, 2012, o. S.). Das Werbeverbot des Tabakgesetzes, welches von der Europäischen Union verabschiedet wurde, erlaubt zudem keine Werbung, die Jugendliche anspricht oder den Genuss des Produkts als ansprechendes Erlebnis verkauft (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2012, S. 5). Demnach ist auch die Differenzierung durch die Kommunikation besonderer Geschmackserlebnisse, abenteuerlicher Cowboy-Welten wie bei Marlboro oder humorvoller Comic-Kamele wie bei Camel nicht mehr möglich (Meyer, 2012, o. S.). Wie schon in Kapitel 3.2 herausgearbeitet, bieten diese Maßnahmen für die Produzenten keine Möglichkeit die Restriktionen zu umgehen, da sie gesetzlich vorgeschrieben sind und Missachtungen von mehreren Institutionen, beispielsweise dem Verbraucherschutz oder Nichtraucherbund gemeldet und strafrechtlich geahndet werden.
Im Folgenden soll aufgeführt werden wie das aktuelle Bild der Produktverpackungen von Zigaretten seit Einführung der Warnhinweise aussieht und wie die Produzenten mit diesem Eingriff in ihre Kommunikation und ihren Markenauftritt umgehen. Dabei liegt der Fokus auf der Produktverpackung von Zigarettenschachteln, doch eine zusätzliche Betrachtung und Einbeziehung von weiteren Werbemaßnahmen ist hierbei unabdingbar, da sich Produktgestaltung und Werbung oftmals ergänzen bzw. nicht trennen lassen.
4.3.1 Konventionelle
Umgangsformen am Beispiel der Klassiker Die Verpackungsgestaltung hat durch das Werbeverbot immer mehr Bedeutung gewonnen. Die Kaufentscheidung für eine bestimmte Marke wird dabei häufig nicht von dem Geschmacksunterschied, sondern viel mehr durch das Produktdesign und dem damit vermittelten Image der Marke beeinflusst (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2012, S. 39).
Jedoch gibt es dabei ein Problem: Die großen Marken ähneln sich zu sehr. So wird West als eine Kopie von Marlboro wahrgenommen, die sich in Werten und Ästhetik zu sehr ähneln. Oder auch Stuyvesant, Lord Extra und John Player Special, welche alle mit einem gehobenen Image spielen und damit wiederum so gewöhnlich wirken. Daneben gibt es noch die rustikalen Klassiker wie Ernte 23, Reval und HB, welche den Ruf der Alte-Leute-Zigarette inne haben (Dahlke, 2011, S. 170 ff.).
Der Wiedererkennungswert und die Differenzierung der Marke und des jeweiligen Images werden maßgeblich durch die Schrift und der Grafik der Verpackung erzeugt. Ähneln sich diese zu sehr, misslingt die Abgrenzung zu anderen Marken (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2012, S. 42 f.). Dies lässt sich deutlich am Beispiel der neuen Sorten in diversen Produktfamilien beobachten: Die Verpackungen aus der Reihe ohne Zusatzstoffe oder kräftig und elegant ähneln sich sehr stark (vgl. Abb ).
Abbildungen 29-30: Zum Verwechseln ähnliche Zigarettenschachtel-Designs (Quellen: oben: Deutsches Krebsforschungszentrum, 2012, S. 42; unten: http://www.markentechnik- blog.de/zigaretten-im-einheitslook-ohne-zusatzstoffeohne-differenzierung/2614, Zugriff am 26.06.2013)
Betrachtet man das Verkaufsregal von Zigarettenschachteln (vgl. Abb. 31), so ist auffallend, dass das Produktdesign der Schachteln sehr generisch ist. Die Gestaltungen ähneln sich nicht nur in Produktkategorie, Auswahl der Farben und Schriftelemente, sondern auch die Art der Einbindung von Warnhinweisen erfolgt überall gleich. Zwar ist die Größe, Position, Farb-, Schrift- und Textwahl gesetzlich vorgeschrieben (Fritz, 2004, o. S.), so wäre dennoch eine Implementierung des Hinweises mit gestalterischen Mitteln möglich, welche diese weniger auffällig erscheinen lässt. Aktuell bietet sich ein Gesamtbild, in dem auf nahezu allen Produktverpackungen der Warnhinweis die restliche Gestaltung in den Hintergrund rücken lässt oder zumindest sehr dominant erscheint. Seit Einführung des Gesetzes, stellen die Warnhinweise für Produzenten und Konsumenten somit ein störendes und auffälliges Element der Zigarettenverpackung dar. Auf Produzentenseite werden hier in den meisten Fällen Möglichkeiten versäumt, den Hinweis geschickter im Produktdesign zu integrieren.
Abbildung 31: Foto eines Zigaretten-Verkaufsregals (Quelle: http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/muri-einbrecher-haben-es-auf-zigaretten-abgesehen- 125825786, Zugriff am 03.07.2013)
Mit Einführung der Warnhinweise auf der Produktverpackung müssen diese auch auf Produktabbildungen auf verschiedenen Werbemotiven erscheinen. Die herkömmliche Ästhetik der Produktverpackung von Zigaretten wurde durch die Warnhinweise zerstört. Betrachtet man nun verschiedene Werbemittel, wie z. B. Plakate oder Anzeigen, der klassischen und bekannten Zigarettenmarken, so ist eines besonders auffällig: die Produktabbildungen werden in den meisten Fällen so dargestellt, dass der Warnhinweis verdeckt wird oder in den Hintergrund rückt [52-54, 56, 58].
Diese Strategie des Kaschierens äußert sich in unterschiedlichen Methoden. Abbildung 33 zeigt verschiedene Motive, auf denen die Produktverpackung aus einem Loch oder Ausschnitt heraustritt. Dabei ist jedoch nur der obere Teil der Zigarettenschachtel sichtbar und der Warnhinweis bleibt ganz oder teilweise versteckt.
Abbildung 32: Kaschieren des Warnhinweises durch Verstecken (Quellen: links: http://www.flickr.com/photos/andpromark/1969847171/ Mitte: http://www.knsk.de/de/arbeiten/LS_Special_106 rechts: http://www.monsterdealz.de/kostenlos/1-schachtel- zigaretten-von-john-player-komplett-kostenlos/146063 alle Zugriff am 24.06.2013)
Eine andere Form des Kaschierens stellt das Spiel mit Licht und Schatten dar. Setzt man den Warnhinweis in dunkle und weniger gut ausgeleuchtete Bereiche, rückt er eher in den Hintergrund. Diese Methode wendet die Zigarettenmarke Lucky Strike konsequent in all ihren Plakatmotiven an. Abbildung 33 zeigt eines von unzähligen Beispielen.
Abbildung 33: Kaschieren durch richtiges Ausleuchten (Quelle: http://www.knsk.de/de/arbeiten/LS_Special_104 Zugriff am http://www.knsk.de/de/arbeiten/LS_Special_104)
Neben diesem sind noch weitere Beispiele subtiler Methoden des Kaschierens auffindbar, wie Abbildung 34 zeigt. So können verschiedene Elemente, wie Gegenstände, Text oder Störer den Warnhinweis verdecken oder durch Perspektive, Winkel und Anordnung die Schachtel so positioniert werden, dass die Warnhinweise kaum oder gar nicht mehr sichtbar sind.
Abbildung 34: Kaschieren durch Perspektive (links), Verdecken (Mitte) und Anordnung (rechts) (Quellen: links: http://www.horizont.net/standpunkt/spiesseralfons/pages/protected/show.php?id=59, Mitte: http://www.forum-rauchfrei.de/aktuelles/tabakwerbung_aktuell.htm rechts: http://www.forum-rauchfrei.de/aktuelles/tabakwerbung_aktuell.htm alle Zugriff am 24.06.2013).
Diese Beispiele zeigen, dass die Warnhinweise die Kommunikation der Produzenten stören und diese darauf mit sehr einfachen Methoden versuchen, die unschönen schwarz-weißen Flächen zu verstecken. Teilweise wirken diese Versuche jedoch ziemlich hilflos, wenn die Zigarettenschachtel z. B. aus einem fiktiven Bullauge hervorlugt.
Des Weiteren hat sich anhand der Betrachtung der Produktdesigns von Zigarettenschachteln gezeigt, dass die Produzenten die Warnhinweise auf ihre Verpackungen aufsetzen, anstatt sie geschickt in ein harmonisches Layout zu integrieren. Oftmals wird einfach die gewohnte Gestaltungslinie fortgeführt und der Hinweis einfach an das Design angefügt.
Demnach kann zusammengefasst werden, dass die Warnhinweise die Gestaltung und Kommunikation der meisten Zigarettenmarken negativ beeinflussen. Der Zweck der Hinweise dass sie auffallen und sich vom Produktdesign abheben sollen wird damit erfüllt und die Produzenten sind häufig nicht in der Lage dies zu unterbinden und sich mit einer geschickten Gestaltung von den einheitlichen und wiederkehrenden Zigarettendesigns abzuheben.
4.3.2 Unkonventionelle Umgangsformen am Beispiel von FRED
Der Zigarettenhersteller Fred&Fly hat mit seiner Marke FRED ein Medium [geschaffen], über das [er seine] Sicht der Gesellschaft (Rossignol, 2013, o. S.) mit den Konsumenten teilen möchte. Erst 2004 in Lausanne in der Schweiz gegründet und seit 2009 auch mit Niederlassung in Berlin, sieht sich der Hersteller selbst als das einzige wirkliche start-up Unternehmen in der Tabakindustrie (ebd.) und als David am Goliathmarkt unter den Industriegiganten (ebd.). Das Unternehmen, das ursprünglich den Namen Sin&Cure trug, möchte folgende Werte vermitteln: Einerseits die Sünde des Rauchvergnügens und andererseits der humorvolle, ironische und provokative Umgang mit der Zigarettenindustrie (ebd.).
Im Folgenden soll ein Ausschnitt aus möglichst repräsentativen Beispielen der Vorgehensweise und Selbstdarstellung dieses Produzenten vorgestellt werden. Da sich Werbung, Kommunikation und Produktdesign bei FRED stark beeinflussen und miteinander stark verzahnt sind, kann hierbei keine klare Abtrennung zwischen diesen erfolgen.
Die Werbekommunikation der Marke FRED und im Speziellen des Produkts FRED KLAAS geht dabei besonders auf die Bedürfnisse des Prosumenten ein, der sich nicht bevormunden lassen möchte, den Drang hat, sich selbst zu verwirklichen und mit den Instrumenten der Kommunikationsguerilla agiert (Quality, 2010, S. 24). So schreibt Fred&Fly auf seiner Webseite http://www.smokefred.de:
“Wir sind lieber ironisch als dass wir beschönigen [ ]. Fred ist ein Produkt. Eines der gefährlichsten Produkte, die es gibt aber dennoch legal. Wenn es um die Kommunikation mit Rauchern geht, tragen wir eine große Verantwortung, denn hinter diesem kleinem weißen Stängel verbergen sich viel Unsicherheit, Argwohn und unausgesprochene Dinge [ ]. Wir haben immer enge Beziehungen zu unseren Rauchern, Kunden und Partnern gehalten [ ]. Es ist keineswegs unser Anspruch, die Masse anzusprechen. Und das macht unsere Aufgabe doch etwas leichter schließlich erwarten Sie von uns, ein wenig provokativ zu sein!” (ebd).
Diese Provokation ist in der Kommunikationsstrategie von FRED deutlich erkennbar. Dabei spielt sie häufig auf die Zigarettenindustrie und die bösartige[n] große[n] Wettbewerbsunternehmen (ebd.) an. FRED sieht sich selbst als das schwarze Schaf und die einzige authentische, unabhängige Zigarettenmarke auf dem Markt (Quality, 2010, S. 24) [53].
Der aktuelle Kampagnenclaim WHO THE FRED IS FUCK? ähnelt optisch dem Logo des T-Shirt-Labels Wasted German Youth (vgl. Abb. 35). Dieses wurde von dem Designer Paul Snowden ins Leben gerufen und vermittelt den Zeitgeist der Berliner Musik- und Partykultur (Snowden, 2011, o. S.). Diesen Trend bedient u. a. auch FRED mit seinem Kampagnenclaim und der grafischen Darstellung von diesem.
Abbildung 35: FRED-Claim (links) und Wasted-German-Youth Logo (rechts) (Quellen: links: http://smokefred.com/en/timeline289.html rechts: http://www.merchstore.net/wastedgermanyouth/ alle Zugriff am 09.07.2013) Als weitere Inspiration für die Kampagne und auch die gesamte Kommunikation von FRED werden Texte der Grafikerin Mieke Gerritsen angegeben (vgl. Abb. 36), welche auf die Praktiken der Kommunikationsguerilla anspielen (Rossignol, 2013, o. S.).
Abbildung 36: Inspiration für FRED (Quelle: http://smokefred.com/en/station63.htm Zugriff am 09.07.2013)
Das Layout der Verpackungen wird von dem Unternehmen Fred&Fly nicht aus der Hand gegeben. So ist der Gründer Benoit Rossignol selbst für die Gestaltungen verantwortlich. Das Produktdesign der Marke FRED stellt für das Unternehmen eine wichtige und besondere Form der Kommunikation dar. Auf dieser Ebene führen sie ihre Provokationen und Anspielungen fort. Als Beispiel ist der Aufdruck eines Warnhinweises aufzuführen, welcher 2006 auf den Schachteln in der Schweiz abgebildet wurde. Dieser erschien bereits vor der Pflichteinführung der Hinweise als ironischer Vorgeschmack (vgl. Abb. 37). Der Text smoke less. smoke FRED, welcher auf dem Hinweis aufgedruckt wurde geht auf humorvolle und provokative Weise mit der Kommunikationsrestriktion um.
Abbildung 37: FRED-Verpackungsdesign vor offizieller Einführung der Warnhinweise (Quelle: http://smokefred.com/en/timeline204.html, Zugriff am 09.07.2013)
Beim aktuellen Verpackungsdesign des Produkts FRED KLAAS wurde der Warnhinweis geschickt in die Gestaltung eingearbeitet. Anders als bei vielen anderen Zigarettenmarken lenkt dieses Layout von dem sonst so auffälligen Warnhinweis ab, da sich dieser nahezu unsichtbar ins Gesamtbild integriert (vgl. Abb. 38) [60].
Abbildung 38: FRED-Produktverpackung (Softpack) (Quelle: http://smokefred.com/en/station67.html Zugriff am 09.07.2013)
Die Hinweise sind durch die Verwendung gezielter gestalterischer Mittel unauffällig und stechen dadurch nicht als eine Warnung heraus. Der Fokus fällt mehr auf das Logo der Marke FRED, welches auch aus der Ferne deutlicher erkennbar ist, da der Warnhinweis die Wahrnehmung nicht überlagert. Durch geschickt eingesetzte Perspektive und Anordnung des Logo-Schriftzugs hebt sich dieser von dem sonst vorwiegend horizontal vertikal ausgerichteten Layout besonders ab. Der Zusatz KLAAS zum Produktnamen ist eine Anspielung auf eine Klassifizierung unterschiedlicher Qualitätsstufen. Das AA in der Mitte des Namens soll die höchstmögliche Zigarettenqualität und den besten Geschmack suggerieren. Des Weiteren weckt es die Assoziation zum englischen Wort class bzw. dem deutschen Klasse und hebt damit nochmals die hohe Qualität hervor.
Charakteristisch ist das monochrome Streifenmuster, welches die Schachtel ziert. Dieses von den Werken des französischen Künstlers Daniel Buren aus der Werkreihe Manifestation inspiriert (Rossignol, 2013, o. S.). Dabei wechseln sich schwarze und weiße vertikal angeordnete Balken in gleicher Stärke ab. Diese Streifen sind in ihrer Breite identisch mit der Konturstärke des Warnhinweises. Auch farblich passt sich das Verpackungsdesign der Ästhetik der Warnhinweise an. So ist die Schachtel nahezu vollständig in schwarz-weißer Schrift und mit monochromen Elementen gestaltet. Es werden lediglich kleinere rote und goldfarbene Akzente gesetzt, die jedoch das Gesamtbild des Designs nicht durchbrechen.
Neben der Integration und dem Spiel mit der Optik der Warnhinweise befinden sich weitere versteckte Elemente auf dem Layout, die oftmals erst beim genauen Hinschauen sichtbar werden. So finden sich beispielsweise Abbildungen der Space- Invader-Figuren auf der Seitenlasche der Schachtel und ein kleiner goldene Hacked -Schriftzug auf der Seitenfläche. Diese Codes werden jedoch nicht von jedem verstanden, sondern sind einer Subkultur vorbehalten so wie es auch von FRED selbst intendiert ist. Es spricht die Gamer, digitalen und analogen Hacker sowie die Partyszene an. Die Symbole und Bezeichnungen schaffen einen engen Kontakt zur Zielgruppe, da sie nur von einem kleinen Teil der breiten Masse verstanden werden (Römer, 2005, S. 105), aber erzeugen gleichzeitig auch Neugier und Aufmerksamkeit, da Konsumenten als semiotische Wesen (Karmasin, 1993, S. 24) nach Sinn streben. Sie möchten die Bedeutung ergründen und Codes verstehen, um ihre Kultur zu verstehen (ebd.).
Durch die Verwendung solcher Zeichen und Codes bedient sich der Produzent Fred&Fly auch der Taktiken der subversiven Kommunikationsguerilla und somit der Werkzeuge der Prosumenten. Typische Praktiken neben Camouflage, Faken, Entwendung und Umdeutung (autonome a.f.r.i.k.a. gruppe et al., 2001, S. 63 ff.) ist beispielsweise auch das Sniping: Das Setzen von Zeichen im öffentlichen Raum (ebd., S. 94 f.). Diese Methode wird auch von dem Pariser Künstler Space Invader verwendet, der sein Logo subversiv im öffentlichen urbanen Raum verbreitet (Liebl, 2005, S. 202). Auf diese Praktik spielt auch FRED an: Einerseits durch den Aufdruck der Space Invader Symbole auf der Zigarettenschachtel und auch durch das regelmäßige Abbilden der Figuren auf sämtlichen Kommunikaten und Give-Aways (vgl. Abb. 39). Des Weiteren wird der Claim von FRED und die Symbolik der Marke guerillaartig im öffentlichen Raum gesprayt und geklebt (vgl. Abb. 40).
Abbildung 39: Space Invaders auf FRED-Reklametafel (Quelle: https://www.facebook.com/smokefred, Zugriff am 09.07.2013)
Abbildung 40: FRED Guerilla-Streetart (Quellen: https://www.facebook.com/smokefred Zugriff am 09.07.2013)
Ein weiterer Aspekt, welcher in der Kommunikation und im Design von FRED berücksichtigt wird, ist die Weiterentwicklung des Konsumenten bzw. Prosumenten in Bezug auf Tradition von Marken und Produkten. Der Verbraucher fühlt sich heutzutage nicht mehr durch die Geschichte und das Erbe einer Marke angesprochen (Backman, 2013). Viele Zigarettenmarken vermitteln in Design und Kommunikation jedoch auch weiterhin sehr stark die Werte Tradition und Qualität. Dabei ist es das Neue, das die Verbraucher anspricht (Backman, 2013, S. 3). Es sind die ehrlichen und nicht perfekten Marken, die ein sofortiges Vertrauen seitens der Konsumenten erzeugen können (ebd. S. 4). Und diesen Weg versucht FRED zu gehen, in dem die Marke kommuniziert, dass sich die Produkte und das Produktdesign stetig weiterentwickeln und unvollendet bleiben. Dabei werden auch Fehler oder Probleme angesprochen, welche gemacht wurden oder aufkommen (Rossignol, 2013, o. S.).
Die von FRED selbst beschriebene enge Beziehung zwischen Hersteller und Verbraucher (Rossignol, 2013, o. S.) stellt zudem eine wichtige Komponente für den Prosumenten dar. Die Kommunikation auf Augenhöhe (Bruns, 2010, S. 196) stärkt die Kollaboration zwischen den Akteuren Produzent und Prosument. Auch das Angebot der aktiven Teilnahme zum Beispiel über die Plattform auf der den Konsumenten die Möglichkeit gegeben wird einen eigenen Vorschlag für das Verpackungsdesign einzureichen, ist ein bedeutender Aspekt zur Stärkung der Markenbindung und bedient die Do-it-yourself-Leidenschaft des Prosumenten (vgl. Kapitel 4.2.1). Zusätzlich bietet Fred&Fly den Nutzern der Internetseite unter dem Menüpunkt Your Line die Möglichkeit, eigene Beiträge in Form von Texten, Fotos und Grafiken zu veröffentlichen. Ebenso wird auf der Facebook-Seite den Beiträgen der Konsumenten und Nutzer Raum gegeben und die kollaborative Kommunikation immer wieder durch eigene Beiträge über Hacks und Umdeutungen von Warnhinweisen oder anderen Zigarettenmarken angeregt (Rossignol, 2013, o. S.).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die von FRED ausgeübte Strategie der Taktiken auf den souveränen Verbraucher und Konsumenten eingeht, indem sein Identitätsmanagement unterstützt wird, anstatt ihn zu bevormunden. Durch die Möglichkeit, sich über und durch das Produkt FRED auszudrücken, wird Individualität vermittelt. Da hier wie bei vielen anderen Herstellern kein fester Traditions- und Gestaltungsrahmen vorgesetzt wird, kann die expressive Funktion des Konsums das Sichtbarmachen von Persönlichkeitsmerkmalen (Karmasin, 1993, S. 234) stärker angesprochen statt unterdrückt werden. FRED hebt nicht den Zeigefinger, sondern kommuniziert fernab von Moral (Karmasin, 1993, S. 204) und erzeugt stattdessen etwas Neues und Unfertiges. Durch die intendiert laienhafte Kommunikation soll der Prosument zum Mitwirken bewegt werden.
Durch die Auffälligkeit der Kommunikation als Abweichung von Gewohntem, wird die Bereitschaft erzeugt, sich mit dem Produkt auseinander zu setzen. Diese Aufmerksamkeit wird mittels Durchbrechung von bekannten Strukturen und Mustern der Produzenten hergestellt (Karmasin, 1993, S. 186) und stattdessen durch die Verwendung der prosumenten-eigenen Methoden hervorgerufen. Durch die möglichst unauffällige Eingliederung des Warnhinweises in das Layout ist zudem eine Produktgestaltung gelungen, die den identitäts- und aufmerksamkeitsschaffenden Elementen mehr Raum gibt und für ein harmonisches Design sorgt. Hinzu kommt der Einsatz wichtiger Techniken zur Integration und Kollaboration des Prosumenten mit dem Unternehmen, welche eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglichen.
FRED bedient sich beim Verpackungsdesign und bei der Kommunikation mit dem Verbraucher nicht der typischen Strategien der Produzenten sondern agiert wie der Prosument auch mit taktischer Kommunikation: eigene Kreationen werden gehackt oder zur Umdeutung angeregt. Das Unternehmen selbst verfremdet anderes Material, veröffentlicht es als eigene Kommunikation und erzeugt damit Provokationen gegenüber der Zigarettenindustrie und der Bevormundung der Verbraucher durch die Restriktionskommunikation und Kommunikationsrestriktion.
5. Bewertung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wurden zunächst unterschiedliche Beiträge aus der Literatur zum Prosumenten dargelegt und anschließend eine Typisierung dieses Phänomens erstellt. Dabei wurde deutlich, dass die Typen Selbst-Produzent und Hacker bzw. Zweckentfremder autonom und losgelöst von unternehmerischen Intentionen handeln. Sie agieren proaktiv, unabhängig und subversiv zum Zweck ihrer eigenen Selbstbestimmung und Identitätsbildung um der Macht der Produzenten entgegenwirken zu können.
Im Anschluss daran erfolgte eine Definition des Begriffs der Restriktion und dessen Bedeutung für die beiden Akteure Prosument und Produzent. Dabei erfolgte eine Differenzierung zwischen Kommunikationsrestriktion und Restriktionskommunikation. Der erste Begriff definiert Einschränkungen oder gar Verbote für die Kommunikation der Produzenten und der zweite Begriff bezeichnet die Art der Kommunikation, welche die Konsumenten im Gebrauch der Produkte einschränkt. Dabei wurde deutlich, dass die gesetzlichen Einschränkungen der Produzentenkommunikation den Wettbewerb hemmen und Prosumtionen provozieren. Es wurde ebenfalls aufgezeigt, dass eine Restriktionskommunikation auf expliziter aber auch impliziter Ebene erfolgen kann und dass der Prosument Umgangsformen taktischer und auch strategischer Art entwickelt.
Um den Umgang des Produzenten mit der Kommunikationsrestriktion und auf der anderen Seite des Prosumenten mit Restriktionskommunikation konkreter abzubilden und besser fassbar zu machen, sollen die beiden Thesen, welche jeweils zur Diskussion aufgestellt und erklärt wurden, hier noch einmal zusammenfassend angeführt werden: Auf der Ebene der Kommunikationsrestriktion ergab sich die These, dass die Produzenten keine oder kaum Möglichkeiten haben, die Restriktionen per Gesetz zu umgehen und den Prosument mit der einschränkenden Kommunikation erfolgreich anzusprechen.
Auf der anderen Seite wurde die These formuliert, dass der Prosument Taktiken und Strategien entwickelt, um unabhängig von der Produzentenseite die Restriktionskommunikation durch Selbstproduktion und Techniken der Kommunikationsguerilla entgegenwirken zu können.
Anhand einiger verschiedener Beispiele und insbesondere der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, kann die Arbeit aufzeigen, dass sich der Prosument von Restriktionskommunikation wenig beeinflussen lässt und diese ihn von einer abweichenden Nutzung und Zweckentfremdung nicht abhält. Ein kausaler Zusammenhang kann an dieser Stelle nicht geliefert werden, jedoch lassen die zahlreichen Beispiele vermuten, dass die Motivation der Prosumenten zu ihrem Verhalten und ihren Praktiken durch die Restriktionskommunikation hervorgerufen werden kann und die Inhalte der Warnungen und Verbote dabei eher nebensächlich sind. Von diesen Beispielen aus der Alltagsliteratur sowie verschiedenen Blogs und Communities konnte in dieser Arbeit nur ein kleiner Ausschnitt Platz finden.
Es konnte jedoch veranschaulicht werden, dass die Ursachen für die Prosumtion in verschiedenen Faktoren liegen. Die Restriktionskommunikation kann dem Verbraucher als Bevormundung und übertriebene Beratung erscheinen. Da die Motive der Prosumtion in selbständigem Handeln, Selbstverwirklichung und Autonomie liegen, erhält der souveräne Konsument mit dieser Art des Umgangs eine Möglichkeit der Machtausübung gegenüber den Produzenten. Diese kann die Ausprägung des Protests und der Kritik an der Bevormundung durch die Produzenten annehmen oder andererseits im Ausdruck der Abneigung und Reaktanz erfolgen.
Die Beispiele zeigen, dass dies auf tangibler Ebene mittels kreativer Umnutzung und Selbstproduktionen oder auf intangibler Ebene mit den Möglichkeiten des Web 2.0 erfolgen kann. Des Weiteren ist erkennbar, dass die Kritik und der Protest häufig durch Hacks und Umfunktionierungen auf andere Gegenstände und Sachverhalte erfolgt und das Verdrängen und die Reaktanz auf die Hinweise durch Techniken des Überklebens und Verdeckens erfolgen.
Auf der Produzentenseite wurde zunächst mittels einiger Beispiele zu Produktgestaltung und Werbemaßnahmen der gängigen Zigarettenhersteller die These bestätigt, dass die Produzenten kaum Möglichkeiten haben, die Kommunikationsrestriktion zu umgehen. Dennoch wird das Potenzial häufig nicht ausgeschöpft, sich ausreichend zu differenzieren und den Prosumenten erfolgreich anzusprechen. So wurde anhand einiger Beispiele veranschaulicht, dass die Produzenten die Warnhinweise ohne harmonische Integration in das Produktdesign auf das Layout aufsetzen und dass die Methoden des Kaschierens der Warnhinweise auf verschiedenen Kommunikaten oft subtil und wenig kreativ erscheinen. Am Beispiel der Marke FRED wurde aufgezeigt, dass es entgegen der These auch möglich ist, den Prosumenten mit seinen eigenen Taktiken und Strategien anzusprechen und die Warnhinweise ironisch in die Gestaltung mit einzubeziehen. Durch Kommunikation fernab von moralischer Bevormundung und mit Verwendung subkultureller Codes und Symbolen kann der Verbraucher mit eigenen Mitteln angesprochen und zu einer positiven und vom Produzenten intendierten Prosumtion eingeladen werden.
Doch diese Beispiele können in dieser Arbeit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben und es besteht weiterer Forschungsbedarf in diesem Bereich. So ist beispielsweise ein Vergleich zwischen den Erfolgen verschiedener kommunikativer Maßnahmen unterschiedlicher Zigarettenmarken und den Verkaufszahlen sinnvoll. Zu untersuchen ist dabei auch welche Marken häufiger eine Prosumtion erfahren und ob diese nachlässt, wenn der Produzent auf Augenhöhe und mit den Prosumtionstaktiken kommuniziert. Denkbar ist auch die genaue Betrachtung unterschiedlicher Werbemotive und damit vollzogenes Hacking.
Was jedoch verdeutlicht werden konnte ist, dass sich die Produzenten immer mehr einfallen lassen müssen, um sich zu differenzieren. Sie müssen mit und für den Prosument Marketing betreiben und den Bedürfnissen des modernen Konsumenten entsprechen. Die Bundesregierung oder Wirtschaftsverbände gehen zwar von dem souveränen Verbraucher, der mündig und unabhängig ist, aus, sprechen ihn jedoch nicht dementsprechend an. Heutzutage ist der Konsument durch neue Techniken und Kommunikationsmöglichkeiten mehr denn je ein Prosument wird aber mit Methoden von gestern angesprochen. Der Konsument ist weder ein Konsumäffchen, noch ein Verbraucher, dem keinerlei Gefahren und Risiken kommuniziert werden müssen; er entzieht sich diesen Leitbildern und geht häufig den prosumierenden, unvorhersehbaren, kreativen und eigensinnigen Weg.
Es liegt nahe, dass Warnhinweise und Restriktionskommunikation allgemein die beschriebenen Formen der Prosumtion Selbstproduktion, Umfunktionierung, Hacking und Zweckentfremdung erst hervorbringen und den Prosumenten nicht zur intendierten Nutzung leiten können, sondern im Gegenzug seine Kreativität für das Prosumtionsverhalten anregen.
Vor diesem Hintergrund bleibt zu überdenken, ob die Art und Weise der Restriktion, d. h. dass die Darstellungsart und auch die inhaltliche Ausrichtung, die richtige ist, um die Risiken des Rauchens zu kommunizieren. Es sind gerade die jungen Menschen, denen die Gefahren näher gebracht werden sollen. Doch diese leisten Widerstand oder lassen sich wenig von den Warnhinweisen beeinflussen. Es ist zu überlegen, welche Maßnahmen sinnvoller und wirksamer sind, um die Persuasion zu erreichen, dass man mit dem Rauchen aufhören oder gar nicht erst beginnen sollte. Denkbar sind Kampagnen, die sich die Kreativität der Prosumenten zu Nutze machen und sie auf Augenhöhe ansprechen, statt mit dem moralischen Zeigefinger zu restringieren.
Anhang
Anhang 1
Anhang 2
Anhang 3
Anhang 4
Anhang 5
Anhang 6
Anhang 7
Anhang 8
Anhang 9
Anhang 10
Anhang 11
Anhang 12
Anhang 13
Anhang 14
Anhang 15
Anhang 16
Anhang 17
Anhang 18
Anhang 19
Anhang 20
Anhang 21
Anhang 22
Anhang 23
Anhang 24
Anhang 25
Anhang 26
Anhang 27
Anhang 28
Anhang 29
Anhang 30
Anhang 31
Anhang 32
Anhang 33
Anhang 34
Noten
(1) 2004 kam der Begriff Web 2.0 auf um auf eine neue, partizipative Tendenz der Internetnutzung hinzuweisen. In What is the Web 2.0 (O’Reilly 2005) wird das Web 2.0 unter anderem mit folgenden Eigenschaften umschrieben: freie und flexible Dienste statt Software im Paket, verknüpfbare Datenquellen und vor allem eine Architektur der Beteiligung (Koch et al., 2009, S. 160). Ausprägungen sind partizipative Angebote und Plattformen wie beispielsweise YouTube, Flickr, Facebook und Tumblr, auf denen die Nutzer selbst Inhalte produzieren und veröffentlichen können (Ritzer, 2010, S. 75).
2) Dieser Begriff stellt ein neues betriebswirtschaftliches Paradigma dar und steht im konkreten Zusammenhang mit dem Aufkommen des Web 2.0 und den damit zusammenhängenden neuen Möglichkeiten der Wertschöpfung. Im Zentrum steht hierbei die aktive Integration von Kunden und anderen externen Akteuren eines Unternehmens in allen Phasen des Innovationsprozesses (Reichwald & Piller 2009, S. 9, S. 153 ff.).
(3) Mass Customization beschreibt die Individualisierung von Produkten durch das Zusammenwirken von Kunden- und Unternehmensproduktion. Das Ergebnis ist ein individuelles Produkt auf Seiten der Kunden und Bedürfnisinformation auf Seiten der Unternehmen (Reichwald & Piller 2009, S. 9 f.).
(4) Hacking beschreibt ein konzeptionelles Basteln, Umcodieren und Ausloten überschüssigen Potenzials. Mängel, Sicherheitslücken und Gebrauchsalternativen werden identifiziert und die Produkte entsprechend umgebaut umgenutzt und zu neuen Systemen und Formationen zusammengesetzt (Friebe & Ramge, 2008, S. 85; Liebl et al., 2005, S. 13).
(5) Diese beiden Begriffe werden in der wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich definiert. Gemeint ist hier weniger das militärische Verständnis im Sinne von Clausewitz oder das betriebswirtschaftliche Verständnis welche lediglich zwischen lang- und kurzfristigen Maßnahmen unterscheidet. Vielmehr geht es im de Certeauschen Sinne um die Verfügung über Macht.
(6) Einige weitere Beispiele sind im Anhang zu finden. Die Verweise darauf erfolgen in eckigen Klammern an den entsprechenden Stellen.
(7) User-generated Content (UGC) beschreibt Inhalte, welche vom Nutzer selbst erstellt wurden. Die Erstellung eigener Beiträge im Internet wurde durch das Web 2.0 erheblich vereinfacht, weshalb sich auch das Synonym Mitmach-Web etablierte (Hass et al., S. 6 ff.).
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