C.F. Schröer – André Smits Atelierbilder zeigen den Künstler als abgewandten Menschen
Seine grauen Haare stehen ihm zu Berge. Seit dreieinhalb Jahren schon bricht er von Termin zu Termin auf, reist kreuz und quer durch die Welt, um Künstler zu treffen und überhaupt alle die „people of the art world“ für sein Kunstprojekt zu gewinnen. Dabei wirkt André Smits, der 1960 im niederländischen Giessen zur Welt kam, keineswegs gehetzt oder angesichts seines immensen Selbstauftrags gar überfordert. Smits, der vor einem Jahr sein Wohnhaus in Rotterdam verkaufte und seinen Brotberuf als Webdesigner aufgab, wirkt erstaunlich gelassen und zuversichtlich. Das Unterwegssein ist zu einem Teil seines Lebens und seiner Kunst geworden. So teilt dieser exzessive Kunstnomade in existentieller Weise den Zauber und Fluch der Personen, die er aufsucht, die Reisefreiheit und den Reisezwang. Ein heiterer Sysiphos am Abhang des Mount Contemporary, der um die besondere Leidenschaft weiß, die er mit der Kunstwelt teilt. Er zeigt die Ortlosen in ihrem Ort, den sie immer weniger behausen, an dem sie sich immer seltener erlauben können, sich aufzuhalten und zu verorten. So gesehen zeigt Smits Trug- und Scheinbilder einer schnell vergehenden Welt: Der Künstler an seinem Ort.
Galt seit Jahrhunderten die Galerie, der öffentliche museale Ausstellungsraum als der Ort, an dem sich die Kunst ereignet und offenbart, hat der Glaube an das Künstleratelier als den magischen Ort der Kunst mit der wachsenden Popularisierung der Kunst wieder zugenommen. Es wird als der Rückzugsort angesehen, an dem der kreative Elan, der geniale Funke überspringt und das eigentliche künstlerische Ereignis stattfindet. Daher der wachsende Ansturm des Publikums auf die Ateliers, wo und wann es sich nur anbietet. Smits zeigt uns diese besonderen Orte, wie sie von den Künstlern ihr Schaffenszentrum eingerichtet wurden, mal messiartig voll, mal penibel strukturiert, mal clean wie ein showroom, mal schöpferisches Chaos, mal Nahkapfzone, mal idyllischer Rückzugsort oder Krisenbewältigungszelle.Doch bleibt der Künstler darin die einsame Figur. Und vielleicht ist jene Vereinzelung gerade heute, sei es als beißende Einsamkeit oder als notwendige Abgeschiedenheit erkannte Grundbedingung seines Daseins. Indem Smits die Künstler als Rückenbild fasst, erscheinen sie zudem abstrakt, entpersönlicht, von ihrem Medienstatus und Starsein erlöst, den neugierigen Blicken der Betrachter wie der Welt abgewandt. Sie sind sich selbst überlassen inmitten ihres fragilen Kunstgehäuses.
Haarsträubend… unentwegt… bewegt…
Schon das Terminemachen bereitet ihm offensichtlich Freude, die Verabredungen und Treffen mit den Künstlern seiner Wahl hat er als Bestandteil seines Projekts erkannt. Seine „Play-lists“ sind akribische-labyrinthische Adressenverzeichnisse der verzweigten Kunstfamilie und zugleich ingeniöse Kugelschreiberzeichnungen.
Das Bild, das er mit seiner Fotokamera macht – stets sucht er die Künstler, Galeristen, Museumsleute, Kritiker in ihrem Arbeitsraum (Atelier, Büro oder Galerie auf) und stets nimmt er sie von hinten auf – ist darum nicht das alleinige Ergebnis oder der Höhepunkt seiner Arbeit. Als Konzeptkünstler weiß Smits um den Zusammenhang seines Projekts, bei dem es keinen Anfang und kein Ende gibt, kein Ziel und kein Versagen. 1400 Rückenbilder hat er bereits genommen, um einen althergebrachten Ausdruck zu verwenden. Ausgestellt wurden sie bisher nirgends. Dazu fand sich bisher weder eine Gelegenheit, noch die Zeit.
„Das Projekt kann ja noch ein paar Jahrhunderte fortgesetzt werden, oder vielleicht auch für immer“, mutmaßt Smits und macht sich auf den Weg zu den nächsten Künstler, nach Dresden und London, im April geht es nach New York und im Sommer weiter nach Los Angeles. In Köln will er unbedingt Gerhard Richter aufsuchen, in Antwerpen Jan Fabre, in Düsseldorf traf er kürzlich Felix Schramm und Daniela Steinfeld.
Es entstehen Bilder, die ihren Reiz aus einem Spiel des Verschließens und Öffnens beziehen. Der abstrahierenden, reduzierten Form des Rückenbildes – der Künstler zeigt sich dem Blick des Betrachters stets abgewandt – antwortet ein offener Blick in den Arbeitsraum. So blicken wir gleichsam durch die Augen des Künstlers in seine von ihm geprägte Arbeitswelt. Smits Bilder sind klassische Atelieraufnahmen und Künstlerportraits zugleich. Doch was kümmern Smits die Bildtraditionen? Er ist schon längst unterwegs zum nächsten take, zum übernächsten turn. Seine „Playlist“ ist schier endlos. Smits der Serientäter, der es mit der beschleunigten Gegenwart aufgenommen hat.
Seine Sammlung Rückenbilder ist jetzt schon einmalig und dürfte die größte der Welt sein.
http://www.artistintheworld.com/
zu sehen sind die fast 1400 Photograhien bis 6. Juni 2012
im Treppenhaus vom EISKELLERBERG
und in der Felix Ringel Galerie
Eiskellerberg 1
Düsseldorf
Eiskellerberg, 22.05.2012 08:28
http://www.eiskellerberg.tv/allgemein-artikeldetail-txt/items/im-ruecken-der-kuenstler-491.html
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